Animationsfilm „A Toy Story“, Teil vier: Eine Gabel zwischen Müll und Liebe

Gibt es eine Rolle für Spielzeuge fern des Kinderzimmers? Der Animationsfilm „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ bietet Antworten.

Eine animierte Plastikgabelfigur und ein ebenfalls animierter Spielzeugcowboy stehen in einer Wohnzimmerumgebung.

Die große Frage diesmal: Gibt es eine Rolle für Spielzeuge jenseits des Kinderzimmers? Foto: Disney

Die Formel vom „Film für die ganze Familie“ wird meist als Abklassifizierung gebraucht, als Charakterisierung dafür, dass hier lediglich der kleinste gemeinsame Nenner des generationenübergreifenden Geschmacks erfüllt wird. Dass das Etikett der Familienfreundlichkeit aber auch wörtlich verstanden werden kann, im Sinne von: so vielschichtig und doppeldeutig, dass jede Generation etwas davon hat – dafür gibt es kaum ein besseres Beispiel als das „Toy Story“-Franchise.

Einerseits ist da die bunt und dynamisch animierte, simple Prämisse, die jedes Kind intuitiv versteht, nämlich, dass Spielzeuge leben und eine eigene Existenz führen. In der neuesten Auflage des Stoffs um die „Lebensgeschichte“ eines Woody genannten Spielzeug-Cowboys gilt die Prämisse selbstverständlich auch für ein improvisiert aus Müllutensilien gebasteltes Wesen. Kaum, dass die fünfjährige Bonny an ihrem ersten Tag im Kindergarten eine Wegwerfgabel, einen abgelutschten Eiscreme-Stiel und einen Pfeifenputzer zusammengeklebt und „Forky“ genannt hat, verfügt das Wesen auch schon über eine Stimme – und einen eigenen Willen.

Dass dieses Wesen aber prompt eine Identitätskrise durchlebt, weil es sich eigentlich dem Müll zugehörig fühlt – das ist das Andererseits der „Toy Story“-Saga, die Seite, die Erwachsene allen Alters schätzen können, eine wunderbar zwischen Ironie und Melancholie gehaltene metaphorische Ebene, auf der es um die ganz großen Fragen geht: Wer bin ich und wenn ja, wie viele von meiner Sorte gibt es noch? Oder noch tiefgründiger: Was ist der Sinn des Lebens, wenn die Kindheit endet?

Anders gesagt, ist das eigentliche große Thema der „Toy Story“-Filme die menschliche Angst vor dem Tod und dessen gefühlter Äquivalenz: dem Überflüssigsein. Der erste Film von 1995 behandelte das Thema in Form einer brüderlichen Konkurrenzgeschichte zwischen Woody und dem „Space Cowboy“ Buzz Lightyear; der zweite Film von 1999 stellte sich der Frage der Herkunft Woodys und damit auch der nach dem Weiterleben nach dem Tod, sprich nach dem Aufgegebenwerden als Spielzeug.

„A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“. Regie: Josh Cooley. USA 2019, 100 Min.

In Teil 3 von 2010 wurde das Aufgegebenwerden dann Wirklichkeit – das Kind Andy brach zum College auf –, aber Woody und seine Kumpanen wurden vor der Vernichtung noch einmal gerettet und in die Obhut eines neuen Kindes, eben der bereits erwähnten Bonny übergeben. Teil 4 nun, mit dem auf Deutsch völlig sinnfreien Titel „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“, setzt nahtlos an Teil 3 an und ist doch von einem neuen Gefühl durchsetzt: Wo der Cowboy-Sheriff Woody mit seinem Ordnungssinn einst als Stand-in für die Eltern funktionierte, scheint er nun in die Großelternrolle gerutscht.

Kraft im Hintergrund

Was soll auch eine moderne Fünfjährige noch mit ihm, einem Cowboy aus den 50ern? Statt um die Rolle des Lieblingsspielzeugs zu konkurrieren, konzentriert sich Woody deshalb selbstlos als Kraft im Hintergrund auf das Wohlbefinden „seines“ Kindes. Auch wenn das bedeutet, dass er eine Wegwerfgabel mit Pfeifenputzerarmen davon abhalten muss, ständig in den Müll­eimer zu springen, weil Bonny ohne ihren „Forky“ nicht mehr kann.

Mehr denn je gerät „Toy Story 4“ dabei zur Nummernrevue: Der Handlungsrahmen eines Familienausflugs, bei dem Forky verloren geht, Woody in einem Antiquitäten-Shop festgehalten wird, während die anderen Spielzeuge Hilfe auf einem Jahrmarkt suchen, liefert lediglich den Vorwand für diverse „Action-Sequenzen“, die zur Marke „Toy Story“ gehören. Gibt es eine Rolle für Spielzeuge jenseits des Kinderzimmers? ist diesmal die große Frage.

Der Satz „Du hast ein Kind!“ fällt mehrfach mit fast beängstigender Intensität. Aber mit dem Auftauchen einer alten Bekannten findet der Film eine bestechend charmante Antwort: Als „verlorenes Spielzeug“ können sich Porzellanpüppchen und Holz-Cowboys vielleicht endlich ein Stück aus ihrem engen Rollenkorsett befreien.

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