Film-Regisseurin über das Imkern: „Imker und Bienen kommunizieren“

Der Dokumentarfilm „An der Bruchkante“ zeigt, wie Imkermeister in der mecklenburgischen Provinz arbeiten – und um ihr berufliches Überleben kämpfen.

Ein Imker arbeitet ohne Schutzanzug an Bienenstöcken.

Bei aller Liebe: Ohne Schutzanzug wagt sich nicht jeder Imker zu seinen Bienen Foto: Anne Andersen

taz: Frau Andersen, wer spielt bei Ihnen die Hauptrolle – Bienen oder Imker?

Anne Andersen: Es ist das Zusammenspiel zwischen beiden: Das sind Imker, die ein ganz enges Verhältnis zu Bienen und sehr viel Erfahrung im Umgang mit ihnen haben und die das zu ihrem Beruf gemacht haben. Wenn man genau hinschaut, kann man sehen, dass die Bienen bei jedem Imker anders sind. Man könnte meinen, dass sie sich charakterlich aneinander anpassen.

Können diejenigen, die Sie begleitet haben, noch leben von der Imkerei?

Das ist ein schwieriges Unterfangen. Der eine hat schon als Kind Bienen gehabt. Er hat in der DDR eine Ausbildung zum Imker-Meister gemacht und konnte in Verbindung mit der Arbeit in Institutionen davon leben. Nach der Wende wurde es immer schwieriger. Es gibt die Tendenz zu Großimkereien beziehungsweise größeren Familienbetrieben einerseits – und Hobby-Imkern in Stadt und Land andererseits. Diese Schwierigkeit, heute Imker zu sein, wird im Film deutlich. Dabei könnten gerade diese kleinen Betriebe auf dem Land eine wichtige integrative Funktion haben; im Dschungel der Förderrichtlinien und Verordnungen und den Gesetzen des Marktes können sie aber oft nicht bestehen.

Und der andere „Held“ Ihres Films?

Ein sehr besonderer Bio-Imker, der mit seinen Bienen kurz nach der Wende auch mit zur Gründung eines Demeter-Hofs beigetragen hat, wollte beharrlich trotz aller Schwierigkeiten nicht aufgeben.

ist Dokumentarfilmerin aus Mecklenburg. Sie hat unter anderem in Hamburg studiert – und hält Bienen, seit sie acht Jahre alt ist.

Was macht ihn so besonders?

Er war einfach ein sehr naturverbundener Mensch mit großem Wissen und jemand, der für die wesensgemäße Bienenhaltung gekämpft hat. Alle sagen immer: Bio-Imkerei ist wichtig, auch er wurde als Bienenretter stilisiert. Gleichzeitig konnte er aber nicht davon leben. Er hat dann gesagt: Die Gesellschaft muss sich ändern, es kann doch nicht wahr sein, dass ich so viel Arbeit mache, aber nicht davon leben kann.

Hat es etwas genützt?

Er hat nach Wegen gesucht: Kurse gegeben, Leute aus der Region beraten, die mit dem Imkern angefangen haben, mit anderen kooperiert – auch als Hausmeister nebenher gejobbt. Letztendlich musste er seine Demeter-Imkerei teilweise aufgeben. Er ist letztes Jahr bei einem tragischen Unfall gestorben.

Neigen Städter dazu, das Landleben zu verklären?

Ja, sie schauen aus der Vogelperspektive und haben ein romantisches Verhältnis zur Natur. Das ist natürlich sehr vergröbernd gesagt, aber viele Städter haben ein gefühliges Verhältnis zu den Tieren.

Wie schaffen Sie es denn, keine Klischees zu bedienen, wenn sie Imker zeigen?

Ich habe immer mehr raus genommen aus dem Film und musikalisch gearbeitet. Als ich angefangen habe, Film zu studieren in Hamburg, habe ich auch Kompositionstheorie mit belegt. Meine Arbeit hat eine Fugenstruktur wie in musikalischen Kompositionen. Ich reiße manchmal etwas auseinander. Es muss atmen können, damit keine strengen Kausalketten entstehen und sich die Leute selbst einen Reim draus machen können. Dieses Fragmentarische hat mich hoffentlich davor bewahrt, nur die Misere zu zeigen. Da muss man als Zuschauer ein bisschen arbeiten und kann sich die Dinge vielleicht neu zusammensetzen.

Für „An der Bruchkante“ haben Sie den Theaterregisseur Armin Petras eingeladen, mit Imkern und Landwirten an Heiner Müllers Stück „Die Umsiedlerin“ zu arbeiten – was hat das mit Bienen zu tun?

Das Stück war in der DDR zunächst verboten. Es beschreibt genau die Gemengelage, die ich skizzieren wollte: Es spielt nach dem Zweiten Weltkrieg, zur Zeit der Bodenreform. In einer Szene kommt ein Funktionär zu den Bauern und erzählt stolz: Es gibt endlich Saatgut. Ein Bauer aber steht nur da und fragt: Und wann kommen Pferde? Hier bei uns reagiert das Publikum dann sehr emotional.

Weil die Leute solche Szenen kennen?

Bei der Dürre vergangenes Jahr, als die Leute ihr Vieh verkaufen mussten, weil sie kein Futter mehr hatten, hieß es: Es gibt Ausgleichszahlung. Wenn die zu spät kommt, sind die Tiere aber schon tot. Genauso geht es oft den Imkern: Wenn die Fördermaßnahmen nicht passgenau sind, ist es so, als wären sie nicht da. Hier auf dem Land wird das sehr gut verstanden.

War früher alles besser?

Ich würde sagen, dass es hier in der Region zu DDR-Zeiten mehr Spielräume gab. Es ist aber trotzdem nicht von ungefähr, wieso Leute weggegangen sind. Also, romantisch verklären würde ich eine bäuerliche Landwirtschaft auch nicht. Bertolt Brecht hat, als er die „Mutter Courage“ geschrieben hat, sinngemäß gesagt: Die Bauernkriege waren mit das größte Unglück der deutschen Geschichte, weil die Bauern seitdem keine Stimme mehr haben. Stattdessen sagen Außenstehende, wie es funktioniert.

Ist die Biene in Ihrem Film also auch ein Symbol?

Von einem Symbol würde ich nicht sprechen. Bienen sind sehr feine Seismographen für das, was auf der Erde passiert, sie sind Mittler zwischen Menschen und Pflanzen. Wenn man richtig imkert, dann kommuniziert man mit den Bienen. Ich lade die sehr erfahrenen Imker deshalb auch immer mal ein, meine Bienen anzugucken – weil sie mehr sehen als ich. Dann stehen wir einfach eine Zeitlang vor dem Bienenstock und beobachten, wie die Tiere fliegen.

Dasein und beobachten: Ist das auch die Rolle, die Sie für den Zuschauer vorsehen?

Das war eigentlich mein Wunsch, als ich anfing. Ich hatte sehr viele solcher Aufnahmen. Im Film selbst ist das immer kürzer geworden. Zum einen, weil die Ereignisse immer dramatischer wurden. Und zum anderen musste ich mich ja auch damit befassen, wer das am Ende „lesen“ kann.

Sie sind selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Was unterscheidet Sie von Stadtkindern?

Das ist wie bei ausgebildeten Musikern: So wie eine Geigerin für musikalische Feinheiten sensibilisiert ist, gehen Menschen vom Land anders an einem Feld vorbei und sehen dort vielleicht nicht nur die schönen Kornblumen. Es ist immer eine Freude, wenn man Leute trifft, die das komplexe Zusammenspiel in der Landwirtschaft sehen.

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