Spannungen im Kaschmir nehmen zu: Indien will Sonderstatus aufheben

Erst gab es Terrorwarnungen. Ausgangssperren und das Kappen der Telefone folgten. Jetzt legt die Regierung eine Verfassungsänderung vor.

Menschen mit Koffern und Tüten in der Hand marschieren zum Bahnhof

Indische Touristen verlassen fluchtartig die Kaschmir-Region Foto: dpa

NEU DEHLI rtr/ap/afp | Indien will den autonomen Sonderstatus seines Teils der Himalaja-Region Kaschmir aufheben und riskiert damit Unruhen in seinem nördlichsten Bundesstaat. Die Regierung des Hindu-Nationalisten Narendra Modi brachte am Montag eine Initiative ins Parlament ein, mit der die Sonderrechte des Bundesstaates Jammu und Kaschmir gestrichen werden sollen. Artikel 370 der Verfassung solle laut einer Entscheidung der Regierung von Narendra Modi abgeschafft werden, sagte Innenminister Amit Shah Mitgliedern des Oberhauses. Außerdem habe die Regierung entschieden, den Bundesstaat in zwei Teile zu teilen.

Kurz zuvor wurden führende Politiker in der Region unter Hausarrest gestellt sowie Internet- und Telefonverbindungen unterbrochen. Dies ist der weitestgehende Vorstoß einer indischen Regierung zur Veränderung des Status quo in der Region in nahezu sieben Jahrzehnten. Er dürfte die Spannungen mit dem Nachbarland Pakistan erhöhen, das wie Indien Anspruch auf die gesamte Region Kaschmir erhebt.

Regierungschef Modi will die in der Verfassung garantierte Vorschrift aufheben, nach der nur Einwohner des mehrheitlich von Muslimen bewohnten Bundesstaates Grundstücke kaufen können und dass nur Menschen aus Jammu und Kaschmir ein Anrecht auf Arbeitsplätze in der Verwaltung des Bundesstaates haben. Kritiker sagen, die Regierung wolle mit der Verfassungsänderung die Demografie der Region verändern. Muslime sind eine Minderheit in dem mehrheitlich von Hindus geprägten Indien.

Am Montag war in Jammu und Kaschmir eine Ausgangssperre in Kraft getreten. In Srinagar, der größten Stadt der Region, wurden alle Schulen geschlossen. Millionen Menschen saßen in ihren Häusern fest. Behörden kappten die Internetverbindungen von Mobiltelefonen, eine übliche Taktik, um die Organisation von Indien-feindlichen Demonstrationen und die Verbreitung von Nachrichten zu verhindern. Gegen Mitternacht errichteten Regierungskräfte Stahlbarrikaden und Stacheldraht auf Straßen und Kreuzungen, um Viertel in Srinagar abzuschneiden. Etwa sieben Millionen Menschen sind von der Ausgangssperre betroffen.

Angeblich sollen Terroranschläge geplant sein

Die Spannungen waren seit Freitag gestiegen, als die Regionalregierung von Kaschmir vor möglichen Angriffen von Militanten, die aus Pakistan stammen, warnten. Die Regierung hat in den vergangenen Tagen nach Angaben eines Sicherheitsvertreters zehntausende zusätzliche Soldaten in die Region geschickt. Es seien Terroranschläge geplant, hießt es. Tausende indische Touristen, Pilger und Arbeiter verließen daraufhin die Region panikartig. Pakistan bat am Sonntag US-Präsident Donald Trump um Vermittlung in dem Konflikt mit Indien.

Die beiden Atommächte Pakistan und Indien beanspruchen Kaschmir jeweils für sich und haben seit ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1947 dreimal Krieg gegeneinander geführt. Indien hatte vor einigen Monaten erstmals seit dem Krieg 1971 Angriffe auf pakistanisches Gebiet geflogen.

Die Attacke der Luftwaffe hatte nach Darstellung der Regierung in Neu-Delhi einem Ausbildungslager einer Islamisten-Gruppe namens Jaish-e Mohammed gegolten, die einen Anschlag mit 40 Toten von Mitte Februar im indischen Teil Kaschmirs für sich reklamiert hatte. Nach Darstellung Pakistans gibt es solche Islamisten-Lager in dem Gebiet nicht.

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