Armut bei Kindern: Kein Geld, keine Teilhabe

Arme Kinder müssen am sozialen und kulturellen Leben sparen. Der Paritätische Verband rügt deshalb die Politik. Und hat einen Verbesserungsvorschlag.

Ein Geburtstagskuchen steht vor einem Kind mit Partyhut

Für einige Standard, für andere teurer Luxus: Kinder-Geburtstagspartys kann sich nicht jeder leisten Foto: unsplash/Rahel Daniel

Berlin taz | Sportverein? Kino? Musikschule? Party am Wochenende? Eine Kugel Eis? Was für viele Kinder und Jugendliche zum Alltag gehört, ist für andere unerreichbarer Luxus. Einkommensschwache Familien können für ihre Kinder keine ausreichende Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ermöglichen – das sieht der Paritätische Gesamtverband durch seine neue Studie bestätigt.

Im Zehn-Jahres-Vergleich von 2003 bis 2013 stellt er fest, dass die Ausgaben für Kinder zwar bei Familien mit Durchschnittseinkommen um 2 und bei Spitzenverdienern um 11 Prozent gestiegen sind. Die ärmsten Familien allerdings konnten für ihr Kind 5,5 Prozent weniger als zehn Jahre zuvor ausgeben. Während Spitzenverdiener für ihr Kind 1.200 Euro pro Monat aufbringen könnten, stehen den ärmsten Familien nur 30 Prozent davon zur Verfügung: gerade mal 364 Euro.

Gespart wurde dabei nicht bei lebensnotwendigen Dingen wie Essen, Kleidung oder der Wohnung – sondern bei Ausgaben für soziale Teilhabe. In diesem Bereich gingen die Ausgaben bei den ärmsten Familien seit 2003 sogar um 17 Prozent auf 102 Euro pro Monat zurück. Auffallend ist zudem, dass durchschnittlich die Ausgaben für die sozia­le Teilhabe sanken, während sie bei Familien mit hohen Einkommen um 18 Prozent stiegen.

Dieses Gefälle bei der sozialen Teilhabe ist für Geschäftsführer Ulrich Schneider besonders wichtig. Für ihn beginnt Armut nicht erst dann, wenn „Kinder Pfandflaschen sammeln müssen und Jugendliche sich keine Kleidung leisten können“, sagte er am Donnerstag in Berlin. In einem reichen Land wie Deutschland sei entscheidend, dass Kinder „abgehängt“ werden – also eben kein Instrument lernen, nicht zu Partys gehen oder im Fußballverein mitspielen können. „Was für die einen Standards sind, stellt für andere Barrieren dar“, so Schneider.

Ein Rechtsanspruch auf Teilhabe?

Er holte zu einem Rundumschlag gegen die Familienpolitik der vergangenen Jahre aus: Das Bildungs- und Teilhabepaket sei völlig gefloppt. Auch das „Starke-Familien-Gesetz“, das erst vor einem Monat in Kraft trat, sei schon jetzt nicht mehr zu retten. Denn ein „Zuschusspaket“ für arme Familien würde das Problem nicht bei der Wurzel packen. Der Verband fordert deshalb einen Rechtsanspruch auf Teilhabe, der im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert sein soll – was einer Gebührenfreiheit bei Sportverbänden, Musikschulen, Jugendzentren und ähnlichen Einrichtungen für einkommensschwache Familien entspricht.

Weiter plädiert der Paritätische für eine einkommens- und bedarfsorientierte Kindergrundsicherung. Diese soll für alle Kinder existenzsichernd sein und bei maximal 628 Euro pro Monat und Kind liegen. Je höher das Einkommen der Familie, desto tiefer das Kindergeld. Der Mindestbetrag müsse allerdings bei 320 Euro liegen – eine solche Regelung würde Hartz IV für Kinder und den Kinderzuschlag überflüssig machen. Der Wohlfahrtsverband bläst damit ins gleiche Horn wie die Grünen. Diese hatten im Juni bereits eine Kindergrundsicherung ins Spiel gebracht.

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