Reisen und Schreiben: Bloggercamp auf Usedom

Bei Reiseblogs geht es meist ganz groß ums Ich. Sie sind liebes Tagebuch und Service-Ratgeber. Unsere Autorin hat mitgebloggt.

Boot am Strand

Viel Spaß an der Ostsee, auf Usedom! Foto: imago images/Rolf Zöllner

Was junge Leute auf Usedom machen könnten? „Nicht viel“, sagt der Typ in der Surfschule. Mehr junges Publikum, nee, „hier diskutieren sie auf Gemeinderatssitzungen drei Stunden über Mülleimer“. Der Himmel ist grau, der Wind ordentlich, und ich bin in einem Bloggercamp, durchgeführt von der Tourismusorganisation. Reiseblogger und Instagrammer nach Usedom einzuladen, soll die Insel jung machen, authentisches Marketing nennen sie das.

Voll persönlich und deshalb voll glaubhaft. Obwohl die Blogger hier in Wahrheit gar nicht so richtig jung sind, also eher 30 plus statt 18. Natürlich ist das hier Werbung, keine Berichterstattung, da sind sich alle einig. Hashtags werden ihnen vorgeschrieben, ein Koffer wird uns geschenkt, und einen Knebelvertrag gibt es auch.

Reiseblogs sind schon lange ein großes Ding: es geht meist ganz groß ums Ich, und die Selbstbilder schwanken zwischen buchbarer Litfaßsäule, liebes Tagebuch und Service-Ratgeber. Originelle und lustige Ausnahmen gibt es. Diese hier gehören eher nicht dazu.

Einige Bloggerinnen in Usedom fotografieren sich im Wesentlichen selbst vor allen erdenklichen Hintergründen, sorgsam gestellt, sorgsam nachbearbeitet. Es geht nicht darum, ob es irgendwo schön ist, sondern, ob etwas instagrammable ist, in einer zahmen, genormten Werbeästhetik. Es sind nette Provinzmädchen, die sich als Freigeister und Abenteurer inszenieren, in einer Welt, die ihnen das glaubt. Lustig.

Die Bandbreite ist groß, manche schreibt auch coole Reportagen.

Trotz alledem: die Bandbreite ist groß, manche schreibt auch coole Reportagen. Und kämpft damit, dass die Leute eben vor allem ihren oberflächlichen Schrott klicken würden. Für den schäme sie sich selbst. Einige Medien, die FAZ macht das besonders gern, werten den Triumphzug der Reiseblogger als Zeitenwende, Tenor: Presse sei kritisch, Blogger die gekauften Schafe. Aber das stimmt nicht.

Reiseartikel durchschnittlicher Medien sind meist auch nichts anderes als Werbetexte. Und oft sind die Grenzen fließend, auch hier im Camp bloggen teils gelernte Journalistinnen. Blogs haben das einst schmale Feld geöffnet für jedermann für Jugend statt alter Redakteure.

Bei Instagram haben sie fünfstellige Fol­lowerzahlen, mutmaßlich aus allen Schichten und Bildungsniveaus, ihre Bücher sind Bestseller, dagegen ist die Zeitung alt und nischig. Von ihrer Niedrigschwelligkeit und Ansprache sollte man lernen. Vom Hobby leben können die meisten trotzdem nicht.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Stirbt kritischer Reisejournalismus aus? Abseitige Geschichten, interessante, gut recherchierte Geschichten entdeckt man ohnehin nicht beim Drei-Gänge-Menü auf Pressereise. Es ist an der Zeit, sich zu lösen aus dieser klebrigen Symbiose von Schreibern und Vermarktern.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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