Linke Ökonomen gegen Senat: Aufruf gegen Schuldenbremse

Das R2G-Land Berlin hat eine scharfe Schuldenbremse beschlossen. Jetzt protestieren Wirtschaftswissenschaftler – und ein prominenter Linker.

Mann mit grauen Haaren hebt seine Hände

Fan der Schuldenbremse: Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) Foto: dpa

BERLIN taz | Führende linke Ökonomen kritisieren in einem Aufruf die geplante Schuldenbremse der Landes Berlin. Der Senatsentwurf werde bei seiner Umsetzung „langfristig zu unzureichenden Investitionen und einem Qualitätsverlust der öffentlichen Daseinsvorsorge führen“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Dies sei „Wasser auf die Mühlen ressentimentgetriebener Kräfte“ und untergrabe die „strategische Mehrheitsfähigkeit für fortschrittliche Politik“.

Der Aufruf unter dem Titel „Berliner Schuldenbremse darf nicht zur Investitionsbremse werden“ ist von Dierk Hierschel (Verdi-Bereichsleiter Wirtschaftspolitik), Jan Priewe (Hans-Böckler-Stiftung), Sabine Reiner (Verdi-Ressortkoordinatorin), Thomas Sauer (Hochschule Jena), Axel Troost (Rosa-Luxemburg-Stiftung) und Harald Wolf unterschrieben. Wolfs Unterschrift ist die politisch bemerkenswerteste unter dem Aufruf: Der Bundesschatzmeister der Linken ist zugleich Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und war von 2002 bis 2011 Wirtschaftssenator.

Der Aufruf richtet sich vor allem gegen eine spezielle Berliner Regelung: Die Schuldenbremse soll zwar nicht wie in anderen Bundesländern in die Landesverfassung aufgenommen werden und kann daher mit einfacher Mehrheit wieder geändert oder abgeschafft werden. Dafür werden auch die Haushalte landeseigener Unternehmen in die Schuldenbremse einbezogen.

Berlin würde damit die im Grundgesetz verankerte Regelung, die ab 2020 auch für die Bundesländer gilt, noch verschärfen. Damit wären unter anderem Investitionen bei den Verkehrsbetrieben, der S-Bahn, den Hochschulen und den Bäderbetrieben gefährdet, heißt es in dem Aufruf. Zudem würde der Anreiz erhöht, „verstärkt in öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP)“ auszuweichen.

Jetzige regelung war ein Kompromiss

Der Senat hatte die Berliner Regelung zur Schuldenbremse auf seiner Sitzung am 18. Juni verabschiedet. Im August steht die Beratung im Abgeordnetenhaus an. Mit der Unterschrift Wolfs, der auch Mitglied im Hauptausschuss ist, könnte der Konflikt zwischen SPD, Grünen und Linken um die Schuldenbremse erneut aufbrechen.

Die jetzige Regelung war ein Kompromiss. Während Die Linke vor allem den Verfassungsrang der Schuldenbremse ablehnte, hatte SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz auf die Einbeziehung der landeseigenen Unternehmen gedrungen. Was für Erstaunen sorgte, weil Kollatz selbst vor einiger Zeit einen Ausweg aus den Beschränkungen der Schuldenbremse gewiesen hatte: Die Berliner Schulgebäude sollen von der landeseigenen Wohnungsgesellschaft Howoge errichtet werden, die von der Schuldenbremse bisher nicht betroffen war.

Die Schuldenbremse war 2009 auf Betreiben der damaligen Großen Koalition im Bund beschlossen worden. Linke Ökonomen halten sie seit Langem für falsch. Im Frühjahr dieses Jahres mischte sich aber auch Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unter die Kritiker. Die Schuldenbremse verhindere notwendige Investitionen, argumentierte Hüther – ähnlich wie seine linken Kollegen jetzt.

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