Fridays for Future Sommerkongress: Alle müssen streiken

Die meisten Leute verstehen nun, dass der Planet brennt. Jetzt müssen alle handeln. FFF plant einen Generalstreik, die Politik stellt sich noch quer.

Zwei junge Klimaaktivisten blicken skeptisch in die Weite. Sie tragen Kopfbinden mit der Aufschrift: Tempo Machen beim Kohleausstieg

Im Moment scheint die Vernunft bei der Jugend zu liegen. Und die blickt skeptisch in die Zukunft Foto: dpa

DORTMUND taz | Fridays for Future – FFF. Sommerkongress. Etwa 1.400 Menschen sind aus über 200 Orten zu der mehrtägigen Veranstaltung in Dortmund angereist; die Hälfte minderjäh­rig. Über 200 Veranstaltungen mit Gewerkschaftler*innen, Wis­sen­schaft­ler*innen, Akti­vis­t*innen, Klimaschutz-Lobby­ist*in­nen, Prominenten stehen auf dem Programm. Die Stimmung ist angespannt. Denn anders als viele, die den Klimawandel wie ein Phänomen from outer space betrachten, lesen die vorwiegend jungen Menschen die Berichte des Weltklimarats. Die verheißen nichts Gutes. Manchmal indes sind die Jugendlichen auch einfach nur jung und albern herum.

Am 14. Dezember 2018 fand in Deutschland der erste koordinierte Schulstreik von Fridays for Future statt. Nun wollen die Aktivist*innen Ideen entwickeln, wie es nach den Ferien weitergehen könnte. Wie sich der Druck verstärken ließe. „Fridays for Future wollte ursprünglich vor allem stören“, sagt eine Schülerin aus dem Publikum. „Im Moment habe ich das Gefühl, dass uns alle ziemlich gut finden und wir nicht mehr so doll stören.“

Anne Klein-Hitpaß vom Thinktank Agora Verkehrswende, die an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft arbeitet, ist da optimistischer. Die jungen Leute hätten gar keine Ahnung, wie sehr sie störten. Fridays for Future sei es zu verdanken, dass sich das ganze Land in Sachen Klimawandel nun positionieren müsse.

Positionieren indes reicht nicht. Schließlich steht auf den Schildern von FFF nicht: „Wir streiken, bis ihr euch positioniert.“ Auf den Schildern steht: „Wir streiken, bis ihr handelt.“ Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse fordert Fridays for Future den Kohleausstieg bis 2030 – die Regierung plant ihn für 2038. Fridays for Future fordert ein Nettonull der Emis­sionen durch Ausgleiche bis 2035 – der Regierung ist 2050 zu früh. Fridays for Future fordert eine sozialverträgliche Kohlenstoffdioxidabgabe bis Ende 2019 – die Regierung ist sich uneins. Und nun? „Warum legt man nicht mal das Land lahm an einem Freitag?“, fragt der Moderator Joko Winterscheidt auf einer Bühne im Revierpark.

Auf den Schildern von Fridays for Future steht: „Wir streiken, bis ihr handelt“

Diese Idee ist auch Fridays for Future schon gekommen: Während des Kongresses läuft die Mobilisierung für einen Generalstreik am 20. September bereits auf Hochtouren. Nicht ohne Grund sind Gewerkschaften eingeladen. „Unsere Hoffnung ist, dass aus der Jugend- eine gesamtgesellschaftliche Bewegung wird“, sagt der 19-jährige Klimaaktivist Jakob Blasel aus Kiel.

Viel Zeit bleibt nicht. Was die Verhinderung des Klimawandels betrifft, ist Fridays for Future mindestens zehn Jahre zu spät dran. Da waren viele von FFF noch Kinder. Nun wachsen sie auf einer Erde auf, deren Erhitzung sich wahrscheinlich auf etwa 3,2 Grad begrenzen ließe – wenn sofort alle Vereinbarungen des Pariser Abkommens umgesetzt würden. Und das, wo eine Erhitzung um 2 Grad als Grenze zur Katastrophe gilt, die Millionen Menschenleben fordern und mehr als die Hälfte der Erde unbewohnbar machen könnte. „Völkermord“ nannte der Außenminister der Marshallinseln die industrielle Erhitzung des Planeten.

„Meine Generation hat echt verkackt“, ruft Eckart von Hirschhausen von einer der Bühnen herunter. Was die Fridays-for Future-Bewegung von der Regierung fordert: den Klimawandel als Notfall und oberste Priorität zu behandeln. Was Fridays for Future von der Regierung hört: dass politisches Engagement lobenswert sei, man aber auch die Wirtschaft im Blick haben müsse.

Nun also statt Schulstreik Generalstreik. Aber politischer Streik: ist der in Deutschland nicht verboten? Man könnte sagen: Ein bisschen. Irgendwie nicht. Es ist kompliziert.

Das Grundgesetz schränkt das Streikrecht nicht ein. Auch mit dem Völker- und Europarecht stünde ein Verbot nicht in Einklang. Das juristisch umstrittene Verbot von Generalstreiks basiert auf einem Gutachten von 1955. Dort steht, Streiks seien nur im Rahmen von Tarifforderungen zulässig. Verfasst hat es der damalige Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Hans Carl Nipperdey – ein Karrierist im Dritten Reich. Bis heute wird sein Gutachten als generelles Verbot politischer Streiks in Deutschland interpretiert.

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„Klimaschutz, da darf uns der Mund nicht verboten werden“, sagt Luca Samlidis von Fridays for Future. „Da geht es um die Zukunft unser aller und derjenigen, die nach uns auf diesem Planeten leben wollen.“ Zuletzt fand 1948 ein Generalstreik statt. Geht es nach Fridays for Future, wird sich das am 20. September 2019 ändern.

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