Löschschaum in der Ochtum: Vergiftete Fische

Durch Löschschaum vom Bremer Flughafen ist die Ochtum so belastet, dass vor dem Verzehr der Fische aus dem Fluss gewarnt wird.

Ein Stillleben zeigt zwei appetitliche Brassen und eine Orange auf einem Tisch

Vermutlich unbedenklich waren diese Brassen, die Luis Egidio Meléndez im 18. Jahrhundert malte Foto: Wikimedia Commons

BREMEN taz | Jahrzehntelang verwendete der Bremer Flughafen bei Feuerwehrübungen einen Löschschaum mit einem giftigen Fluortensid, dem Stoff Perfluoroctansulfonat (PFOS). Durch Regenwasser gelangte der Stoff in die Ochtum, einen Nebenfluss der Weser. Die schwerwiegenden Folgen eines sorglosen Umgangs mit dem Gift, sie belasten Anwohner, Flughafenbetreiber, Behörden und nicht zuletzt auch Tiere und Pflanzen.

Vor zwei Jahren wies der Flughafen erstmals auf das Problem hin. Bei Routinekontrollen wurde die PFOS-Kontaminierung entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt verwendete die Flughafenfeuerwehr das riskante Mittel schon seit 2003 nicht mehr, sondern Wasser und alternative Löschmittel, die allerdings Fluortenside enthalten, die laut Umweltbundesamt ebenso schädlich sein können.

Nachdem der Flughafen Alarm geschlagen hatte, entnahm die Bremer Umweltbehörde Proben und fand eine hohe Konzentration im Wasser. Vor wenigen Tagen veröffentlichte das niedersächsische Verbraucherschutzministerium eine Untersuchung von Fischen aus der Ochtum und aus ihrem Nebenfluss Grollander Ochtum. Das Ergebnis: Im Muskelfleisch von Aalen, Brassen, Rotaugen und Flussbarschen wurde eine hohe Belastung mit PFOS-Rückständen nachgewiesen.

Die Chemikalie baut sich in der Natur nur sehr langsam ab und lagert sich in Tieren und Pflanzen ab. Seit 2011 ist die Verwendung von PFOS wegen seiner Schädlichkeit offiziell verboten, aufgrund der jahrelangen Verwendung in der Industrie findet es sich jedoch in vielen Gewässern. Bei Menschen schädigt PFOS die Fortpflanzung und steht im Verdacht, Leberschäden und Krebs zu verursachen.

Birgit Olbricht, Naturschutzbund Bremen

„Eigentlich müsste man eine Studie machen“

Seit Bekanntwerden der Kontamination warnen Bremens Umweltbehörde und das niedersächsische Verbraucherschutzministerium vor dem Verzehr von Fischen aus allen niedersächsischen Teilen der Ochtum, da die Fische sich entlang des Flusses bewegen. Landwirte sollten ihr Vieh von den Kanälen fernhalten und Gärtner, die ihre Pflanzen mit dem Flusswasser gießen, auf den Verzehr des Gemüses verzichten. Die Selbstversorger müssen auf Grundwasser umsteigen, das nicht belastet ist: Proben an der Grollander Ochtum hätten keine Überschreitung der Grenzwerte für die fragliche Stoffgruppe ergeben, heißt es bei der Umweltbehörde.

Der Deichverband am linken Weserufer, der die Wasserstände reguliert, leitet als Sofortmaßnahme möglichst wenig belastetes Wasser in die Seitengräben. „Wir haben die Entnahmemenge an der Grollander Ochtum verringert“, sagt Geschäftsführer Michael Dierks. Wegen der Dürre stehe der Verband jedoch vor einem Dilemma: Die Wasserstände sind viel zu niedrig. Ohne die Einleitung von kontaminiertem Wasser geht es nicht, sonst würden die Biotope in den Nebenkanälen austrocknen.

Wirklich gelöst werden kann das Problem nur durch eine grundlegende Reinigung des Flughafengeländes. Dies stelle sich komplexer dar als zunächst angenommen, sagt die Flughafensprecherin Andrea Hartmann. Mit der Sanierung soll aber Ende des Jahres begonnen werden. Die Maßnahmen befänden sich in der Endabstimmung, sagt auch Johannes Budde vom Senator für Umwelt, Bau und Verkehr.

Langwierige Sanierung

Die Sanierung wird teuer und langwierig. Vier Millionen Euro plant die Betreibergesellschaft ein, die komplett der Hansestadt Bremen gehört. Über Brunnen wird das Wasser aus dem Boden geholt, durch ein Filtersystem mit Aktivkohle und Sand geschleust und über die bestehende Entwässerungsanlage abgeleitet. „Bis zum Ende des Jahres wird der Flughafen auch ein Konzept vorlegen, wie das anfallende belastete Drainagewasser behandelt werden kann, um einen weiteren Eintrag in die Grollander Ochtum zu minimieren“, so Budde.

Wie lange die in der Ochtum lebenden Fische noch belastet sind, ist unklar. Weniger als eine Dekade, hofft Dierks vom Deichverband – wenn die Sanierung angelaufen ist. Auch die Folgen für die Flora und Fauna an der Ochtum sind noch nicht abschätzbar, sagt Birgit Olbricht vom Naturschutzbund Bremen. Zwar gebe es keine direkten Effekte wie tote Fische, viele Auswirkungen seien aber nicht offensichtlich. „Was heißt das für Bodenlebewesen, für Insekten? Eigentlich müsste man eine Studie machen“, findet Olbricht.

Die Umweltbehörde schlägt hingegen beruhigende Töne an. Die PFOS-Konzentrationen lägen deutlich unterhalb der Norm zum Schutz von Wasserorganismen, so Budde. Derweil setzt die Bremer Flughafenfeuerwehr im Ernstfall weiterhin auf zugelassene PFOA-haltige Mittel, die erst ab 2020 durch eine EU-Richtlinie eingeschränkt werden. Alternativen, die komplett frei von Fluortensiden sind, existieren noch nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.