Machtverteilung im Sudan: Neuer Rat mit altem Regime

Eine Lösung schien in weiter Ferne. Nun hat sich die Opposition im Sudan mit dem Militär überraschend geeinigt. Doch viele Fragen bleiben offen.

Eine Frau und ein Mann halten Flaggen in die Höhe.

Feiern am Freitag in Khartum Foto: reuters

NAIROBI taz | Unerwartet schnell haben sich der herrschende Militärrat und die zivile Opposition im Sudan auf eine Machtverteilung bis zu den geplanten Wahlen in mehr als drei Jahren geeinigt. Die Bevölkerung nahm das Abkommen vom frühen Freitagmorgen mit Erleichterung und vorsichtiger Freude auf. Dennoch ist das Misstrauen gegenüber der Armee nach wie vor groß. Soldaten gelten als verantwortlich für die Gewalt der letzten Wochen, bei der Dutzende Menschen getötet wurden.

In dem Abkommen wurde vereinbart, dass fünf Militärs, fünf Zivilisten und ein Bürger mit militärischem Hintergrund in einem souveränen Rat sitzen werden, der zur höchsten Behörde des Landes wird. Die rotierende Präsidentschaft des Rates wird voraussichtlich zuerst in den Händen des Militärs sein. Daneben soll eine Regierung von Technokraten gebildet werden. Die Zusammensetzung eines Parlaments wurde vorerst verschoben.

„Dies ist nur der Anfang, wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagt Student Ammani Razik Online-Chat mit der taz aus der Hauptstadt Khartum. „Erst sehen und dann glauben, dass die Militärs sich an Vereinbarungen halten.“

Bis zum Wochenende noch schien eine Einigung über die Machtverteilung weit entfernt. Doch nachdem am Sonntag Zehntausende Demonstranten eine Zivilregierung forderten, scheint der ausländische Druck auf beide Parteien zugenommen zu haben. Letztendlich kam das Abkommen durch die Vermittlung von Vertretern der äthiopischen Regierung und der Afrikanischen Union zustande.

Unabhängige Untersuchung des Juni-Massakers

In dem Abkommen einigten sich beide Parteien auch auf eine transparente und unabhängige Untersuchung des Massakers an Demonstranten am 3. Juni. Damals hatten die Rapid Support Forces (RSF), eine der Armee angeschlossene Miliz, gewaltsam ein friedliches Protestcamp vor dem Armeehauptquartier in der Hauptstadt Khartum aufgelöst und mehr als hundert Demonstranten getötet.

Der gefürchtete und mächtige Mohamed Hamdan Dagalo mit dem Spitznamen Hametti wird einen Sitz im souveränen Rat einnehmen. Er ist Chef der RSF und Vizepräsident des derzeit regierenden Militärrats. Zwar zeigen Bilder, dass seine Truppen zu einem großen Teil für die Gewalt am 3. Juni verantwortlich waren, doch Hametti bestreitet die Verantwortung. Er gibt jenen Elementen die Schuld, die seine Truppen infiltriert hätten.

„Es ist sehr schwierig, einer Machtverteilung zu vertrauen, in der Hametti Teil des souveränen Rates ist“, sagte Azaz Elshami, ein sudanesisch-amerikanischer Menschenrechtsanwalt, gegenüber dem Fernsehsender Al Jazeera. „Es war vielleicht vor dem 3. Juni akzeptabel, weil RSF und die Armee den Diktator Omar Hassan al-Bashir gestürzt haben. Aber nach dem Massaker an Demonstranten ist von diesem Vertrauen wenig übriggeblieben.

Regime hat keine Erfahrung mit Demokratie

Die Opposition will nach 30 Jahren Militärdiktatur unter Präsident Bashir, der im April abgesetzt wurde. Die Offiziere im zukünftigen souveränen Rat waren Teil des vorherigen Regimes. Sie sind an unbegrenzte Macht gewöhnt und haben keine Erfahrung mit Demokratie. Sie haben sich oft, wie Bashir, nicht an Abmachungen gehalten.

Zum Beispiel war Hametti, bevor er sich gegen ihn wandte, einst ein wichtiger Vertrauter und Berater von Bashir. Im Auftrag von Bashir führte Hametti den Bürgerkrieg gegen die Bevölkerung in der westlichen Region Darfur. Er und andere Offiziere der Armee sind wegen Kriegsverbrechen in der Region angeklagt.

Als Dankeschön erhielt Hametti nach dem Krieg von Bashir freie Hand in Darfur und konnte sich dort mit den Goldminen bereichern. Andere hochrangige Offiziere erhielten von Bashir ebenfalls Zugang zu lukrativen Wirtschaftsdeals im Land. Die Frage ist, ob sie bereit sind, ihre privilegierten Positionen für die Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung aufzugeben.

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