Album „Adler“ von Natascha P.: Noch tausendmal krasser

Rap mit politischem Anspruch: Der Hamburgerin Natascha P. geht es weniger um technische Perfektion als um die passende Attitüde.

Eine Frau hält eine Adler-Figur vor ihr Gesicht

Klarer Auftrag: Natascha P. will migrantische Frauen wie sich selbst repräsentieren Foto: Problembär Records

Schon klar, finstere Kerle mit Bodybuilder-Kreuz schauen bedrohlich aus. Aber haben Sie sich schon mal mit einem Adler angelegt? Besser, man lässt es, suggeriert die Rapperin Natascha P. Nachdem sie im Eröffnungstrack ihres Debütalbums „Adler“ nämlich einen ebensolchen am Himmel gesehen hat, mutiert sie im nächsten Stück selbst zum gewaltigen Raubvogel.

Im Song „Drei Meter Spannweite“ wird das romantische Bild eines Adlers am Himmel zur Chiffre für eine Frau, die sich groß macht auf der Straße, die das Kreuz durchstreckt und mit furchterregend weiten Schwingen auf Beutezug „in der City“ geht: „Ich hab drei Meter Spannweite, und du interessierst mich nicht“, schleudert sie der Welt entgegen. Der Sound zu dieser nächtlichen Jagd: ein dunkler Future-Pop-Entwurf, mit Beats, die so billig klingen, wie sie vermutlich auch sind.

Der Hamburgerin Natascha P. geht es, wie vielen Rapper*innen ihrer Generation, weniger um technische Perfektion als um ansprechende Ästhetik und passende Attitüde. Informationen über die Künstlerin sind rar gestreut und schön irritierend: In ihrem Song „Haus mit Garten“ von der vergangenes Jahr veröffentlichten EP „Liebhaber des Halbschattens“ bezeichnete sie sich als „jung, brutal, linksradikal“, an anderer Stelle als Anarchistin, die Ingeborg Bachmann mag. Man liest, die WhatsApp-Gruppe mit ihren Cousinen sei ihre größte Inspiration. Dass sie in Verbindung zur Hamburger Kunsthochschule am Lerchenfeld stehe. Und dass sie als Teil des feministischen Rap-Kollektivs One Mother einen klaren Auftrag hat: Repräsentation für migrantische Frauen wie sie.

Trotz ihres politischen Anspruchs bleibt vieles diffus in den Stücken auf „Adler“ – und Natascha P. ein Phantom in ihren eigenen Songs: Im Ambient-lastigen „Laie“ scheint ihre Stimme hinter der Musik zu verschwinden, immer wieder adressiert sie sich selbst in der dritten Person („Geht’s dir gut, Natascha?“), als suchten sie die Stimmen ihrer Kritiker und Vertrauten, die Rufe der Gesellschaft heim.

Alles an dieser Musik hält einen seltsam auf Abstand, man nähert sich den Songs wie einem seltenen Tier: interessiert, aber auch ein wenig beunruhigt. Das liegt auch daran, dass nichts in den Tracks auf „Adler“ fließt oder eingängig klingt. Natascha P.s Raps sind Stakkati, an denen man sich die Zähne ausbeißen, über die man stolpern soll – was auch oft genug passiert, während man sich über ihre Interpretation der HipHop-üblichen Großspurigkeiten wundert: „Hier kommt Natascha / Noch tausendmal krasser / Servier’ mir keine Nudeln, ich will Pasta.“

Natascha P.: „Adler“ (Problembär Records/Rough Trade), Live: 9. August „Fuchsbau Festival“, 23. August „Pop-Kultur Festival“

An anderer Stelle verlässt sie die musikalischen Gesetzmäßigkeiten von HipHop hingegen vollständig: „Lonely Rider“ ist erbarmungslos wummernder Techno; der Song „Bauchschmerzen“, in dem Natascha P. eher flehentlich schreit als rappt, scheint geradewegs aus der Horrorkammer des Unbewussten zu kommen.

Im neblig klingenden Track „Gott ist tot aber Natascha P. lebt“ rezitiert eine verfremdete Stimme zehn „Gebote“: „Auch wenn die Welt untergeht, trinke ich trotzdem Cappuccino“ oder „Nur weil du ein ACAB-Shirt trägst, bist du noch lange nicht nett“. Eines der wenigen Stücke auf Natascha P.s Debüt, das Gewissheiten bieten mag.

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