berliner szenen
: Die rammelnde Hündin

Früher hat es mich selten gestört, dass ich durch unsere Hunde zu ständiger Interaktion mit anderen Menschen gezwungen wurde. Ich hatte durch die beiden schon viele schöne oder zumindest nette Begegnungen. In letzter Zeit aber graut es mir vor den Spaziergängen mit ihnen. In Begleitung der beiden wird die Stadt schnell zur Nahkampfzone. Die eine ist seit Neuestem so ängstlich, dass sie entgegenkommende Hunde und Menschen ankläfft, die andere hat hormonelle Probleme und rammelt alle paar Minuten.

Um in Ruhe mit den beiden unterwegs sein zu können, versuche ich daher, jedwede Begegnung zu vermeiden. Heute glückt es mir nicht. Schon an der ersten Ecke brüllt ein Mann: „Machen Sie das gefälligst noch weg?“ und zeigt auf den Boden. Ich rufe: „Was bitte meinen Sie? Die beiden haben nur uriniert.“ Er versperrt den Weg, deutet auf einen vertrockneten Haufen Hundekot und fordert: „Aufheben!“ Ich runzle die Stirn: „Der Haufen ist alt. Das merkt man allein schon daran, dass er nicht riecht.“ Er funkelt mich an: „Wollen Sie jetzt etwa von mir verlangen, dass ich an der Scheiße schnüffele, oder was?“ Ich lasse ihn links liegen und gehe weiter.

Schon an der nächsten Ecke kommt uns ein Paar entgegen. Die ängstliche Hündin bleibt stehen und beginnt zu kläffen, die andere nutzt die Gelegenheit, sie zu rammeln. Die Frau mustert die beiden eine Weile und beugt sich dann zu der rammelnden Hündin runter: „Das ist doch gemein! Du vergewaltigst den ja!“ Ich hoffe, dass das Paar schnell weitergeht. Es bleibt jedoch stehen und sieht sich die Szene weiter an. Endlich hat die rammelnde Hündin genug. Sie schnappt sich einen Stock und schleudert ihn auf die Füße der Frau. Der Mann sagt grinsend: „Danke, du lustiger Hund du, aber den brauchen wir nicht. Wir haben Zentralheizung.“ Eva-Lena Lörzer