2. Bikini- und Badehose Bicycle Ride: Ungeschützter Verkehr

So nackt wie möglich demonstrieren Fahrradfahrer*innen in Berlin. Sie wollen zeigen, wie verletzlich sie und Fußgänger*innen sind.

Bikini- und Badehose Bicycle Ride 2018: Männer und Frauen teils wenig bekleidet nach dem Ende einer Demonstration

Beim ersten Bikini- und Badehose Bicycle Ride im letzten Jahr Foto: Thomas Lebie/imago

Auch das ist ein Gefühl von Sommer: wenn die Sonnenstrahlen nicht nur die Nasenspitze kitzeln, sondern auch den Bauchnabel, wenn eine leichte Brise nicht nur die Haare zerzaust, sondern auch die Oberschenkel und Schultern umschmeichelt. Etwas von diesem Sommergefühl wollen die Veranstalter*innen des zweiten Berlin Bikini- und Badehose Bicycle Ride aus vom Badesee in die Stadt holen. Und dabei außerdem für mehr Sicherheit im Stadtverkehr und gegen Bodyshaming und die Vorherrschaft des Autos in der Stadt protestieren. Sie laden daher für Sonntag dazu ein, möglichst leicht bekleidet an ihrer Radtour durch Friedrichshain und Kreuzberg sowie Mitte teilzunehmen.

Die Fahrraddemo ist angelehnt an den World Naked Bike Ride, mit dem Aktivist*innen unter dem Motto „As bare as you dare – so nackt, wie du dich traust“ seit 2003 in Städten unter anderem in den USA, Kanada, Brasilien, Mexiko und Spanien für mehr Sicherheit im Straßenverkehr und ein positives Körpergefühl demonstrieren.

Ganz nackig machen dürfen sich die Radler*innen in Berlin allerdings nicht, zum leichten Bedauern von Initiatorin Katja Täubert vom Verkehrsclub Deutschland. Denn anders als in anderen Städten erlauben es die hiesigen Versammlungsbehörden nicht, den Protest tatsächlich komplett nackt durchzuführen. Dies gilt in Deutschland als Belästigung der Allgemeinheit. Frauen dürfen bei der Demo etwa keine nackten Brüste zeigen.

„Ich hätte es schon begrüßt, wenn die Behörden im Sinne des Protests eine Ausnahme gemacht und es uns erlaubt hätten, ganz nackt zu fahren“, sagt Täubert. „Ich werde nun alle Männer bitten, aus Solidarität ein Bikini-Oberteil zu tragen. Oder sich zumindest eins aufzumalen. Dann ist es zumindest halbwegs gleichberechtigt.“ Trotzdem verfehlt die Demo auch mit Bikini und Badehose Täuberts Ansicht nach nicht ihr Ziel. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie verletzlich Fahrradfahrer*innen im Straßenverkehr sind“, so Täubert.

Der zweite Berlin Bikini- und Badehose Bicycle Ride beginnt am Sonntag am Frankfurter Tor: Dort bieten die Veranstalter*innen ab 15 Uhr Bodypainting an, um 16 Uhr startet die zweistündige Tour mit Musik von DJ Alma Linda. Die Route führt über Oberbaumbrücke, Kottbusser Tor, Yorckstraße und Hallesches Ufer zum Großen Stern; über Alt Moabit, Torstraße und Strausberger Platz geht es zurück zum Start.

Der Purple Ride für FLTI* startet an jedem zweiten Freitag im Monat um 20 Uhr am Mariannenplatz. (usch)

„Brauchen geschützte, sichere Infrastruktur“

„Mit Helm und gelber Weste wirken Radfahrer*innen gut gewappnet“, sagt auch Ragnhild Sørensen vom Verein Changing Cities, dies sei im Alltag auf den Straßen aber ein Trugschluss. Der Verein ist aus dem Netzwerk hervorgegangen, das den Volksentscheid Fahrrad 2017 organisiert und das Mobilitätsgesetz mitverhandelt hatte und beteiligt sich ebenfalls an der Demo. „Als Radfahrer*innen und auch Fußgänger*innen fahren und laufen wir nur mit unserer Haut als äußerem Schutz herum. Deshalb brauchen wir eine geschützte, sichere – und komfortable – Infrastruktur.“

Mit dem Mobilitätsgesetz, das der Senat vor gut einem Jahr auf den Weg gebracht hatte, sei zwar der Rahmen gesetzt. „Aber es geht langsamer und ist viel mühsamer, als wir anfangs dachten“, sagt Sørensen. „Das Gesetz liegt vor, das Geld ist auch da. Nun müssen wir die Verkehrsplanung komplett neu denken.“ Sie wünsche sich ein klareres Bekenntnis vom Senat – und mehr Tempo. „Die Politik muss die Bürger*innen auf ihre Seite bringen. Einige glauben noch immer, dass sie ein Recht auf einen Parkplatz vor ihrer Tür haben“, sagt Sørensen.

Für Carolina Mazza vom Purple Ride ist noch ein anderer Aspekt bei der Fahrraddemo wichtig. „Als Frau überlege ich mir gut, ob ich eine kurze Hose oder einen kurzen Rock zum Radfahren anziehe. Selbst wenn ich das vielleicht viel bequemer oder angenehmer finde, laufe ich damit eventuell Gefahr, belästigt zu werden“, sagt sie.

Der Purple Ride versteht sich als feministische Critical Mass, die sich in erster Linie an Frauen, Lesben, Trans-, Non-Binary- und Inter-Personen richtet. Die Gruppe war zum ersten Mal zum Frauentag am 8. März mit nach eigenen Angaben rund 500 Teilnehmer*innen größer in Erscheinung getreten. Inzwischen fahren sie einmal im Monat vom Mariannenplatz aus mit 30 bis 50 Teilnehmer*innen durch Berlin.

„Es ist nicht egal, ob ich als Frau oder als Mann im Straßenverkehr unterwegs bin“, sagt Mazza. „Ich merke, dass ich andere, frauenfeindliche Schimpfwörter abbekomme, und habe auch schon erlebt, dass ich als Verkehrsteilnehmerin gar nicht richtig ernst genommen werde, zum Beispiel als sich der Autofahrer in einem Konflikt an meine männlichen Begleiter gewendet hat und über mich gesprochen hat, als sei ich gar nicht da oder nicht erfahren genug“, sagt sie. Daher wendet sich der Protest von Purple Ride auch ausdrücklich gegen Sexismus, gegen Machokultur und Mansplaining im Straßenverkehr.

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