Künstliche Befruchtung soll Art retten: Nashorn aus dem Reagenzglas

Forscher versuchen, das Nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben zu retten. Künstliche Befruchtung und Stammzellenforschung sollen helfen.

Nördliches Breitmaulnashorn

Inzwischen im Breitmaulnashornhimmel: „Sudan“ Foto: ap

BERLIN taz | Als „Sudan“ im vergangenen Jahr starb, trauerten Menschen in der ganzen Welt. Er war das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn und bekannt als das Nashorn, das über einen persönlichen Wachschutz verfügte. Mit nur mehr zwei lebenden weiblichen Exemplaren war die Art praktisch ausgestorben.

Um das abzuwenden, stellte ein internationales Wissenschaftskonsortium am vergangenen Dienstag das Projekt „BioRescue“ zur Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns vor. Maßgeblich finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 4 Millionen Euro, sei das Projekt „die letzte Chance“, die Art zu erhalten, so der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister. Das Projekt steht unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung.

Zum Auftakt konnte Projektleiter Thomas Hildebrandt einen ersten Erfolg der Forschung vermelden. Dem Team gelang es, einen Embryo mit Material des artverwandten Südlichen Breitmaulnashorns im Reagenzglas zu züchten und in die Gebärmutter eines lebendigen Tiers der südlichen Art zu transferieren. Hildebrandt dämpfte die Erwartungen jedoch, da der Embryo sich nicht in der gewünschten Weise entwickelt habe und nicht sicher sei, ob er sich erfolgreich in die Gebärmutterschleimhaut der Leihmutter einnisten werde.

Wenn die Nachuntersuchungen an der Nashornkuh im September positive Ergebnisse lieferten, wäre das ein weiterer Schritt, um die Methode schließlich auch mit Material des ausgestorbenen Nördlichen Breitmaulnashorns anzuwenden. Hierzu sollen dann Eizellen der letzten zwei noch lebenden weiblichen Exemplare im Reagenzglas mit den eingefrorenen Spermien von verstorbenen Männchen künstlich befruchtet werden. Die herangezüchteten Embryos sollen dann Kühe der südlichen Art als Leihmütter austragen, da eine Schwangerschaft für die letzten zwei Kühe der nördlichen Art ein zu großes Gesundheitsrisiko darstellt.

Ethische Fragen

Es bleibt das Problem, dass das verfügbare Material an Eizellen und Spermien von wenigen Tieren stammt. Aus diesem Grund sind auch Stammzellenforscher Teil des Wissenschaftskonsortiums um das Projekt. Sebastian Diecke vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin arbeitet zusammen mit internationalen Partnern daran, aus Hautzellen Stammzellen und schließlich Spermien und Eizellen zu gewinnen. Durch eine breitere Vielfalt des Erbmaterials soll so eine gesunde Population gewährleistet werden.

Im Rahmen des Projekts sollen auch ethische Fragen zu den Themen künstliche Befruchtung und Stammzellenforschung reflektiert werden. Verantwortlich hierfür ist Barbara De Mori der Universität Padua, die herausfinden will, ob Wissenschaftler und die breite Öffentlichkeit in Sachen Stammzellenforschung ähnliche Einstellungen oder unterschiedliche Wertmaßstäbe haben.

Der Vorstoß Hildebrandts und seiner Partner ist der erste Versuch, die Population des Nördlichen Breitmaulnashorns durch künstliche Befruchtung und Stammzellenforschung zu erhalten. Davor wurde lange versucht, den Bestand durch Zucht zu vermehren. Da Zuchtversuche in Tierparks nicht den notwendigen Erfolg brachten, wurden die letzten lebenden Exemplare 2009 nach Kenia in das Ol-Pejeta-Reservat gebracht.

Die damit verbundene Hoffnung, dass die natürliche Umgebung die Fortpflanzung fördern würde, führte zu keinem Erfolg. Das letzte natürlich geborene Nördliche Breitmaulnashorn kam im Jahr 2000 zur Welt. Sudan verstarb schließlich.

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