Nach den Wahlen in Griechenland: Ein Höllenjob für Mitsotakis

Die Linke ist abgewählt. Kann der neue Ministerpräsident seine Versprechen halten und die griechischen Haushaltslöcher stopfen?

Kyriakos Mitsotakis winkt

Kyriakos Mitsotakis gilt als Zögling der Politdynastie, jetzt muss er sich beweisen Foto: ap

ATHEN taz | In jüngeren Jahren erklärten seine Freunde, Kyriakos Mitsotakis habe „den besten Lebenslauf Griechenlands“. Da ist schon was dran: Privatschule im Athener Nobelvorort Psychikon, Studium in Harvard und Stanford, eine Beraterkarriere in London und Athen, anschließend der behutsame Einstieg in die Politik. Seine Gegner interpretieren seine Vita natürlich ganz anders: Da Mitsotakis einer berühmt-berüchtigten Politdynastie entstammt, die überall ihre Leute platziert hat und immer jemanden kennt, der jemanden kennt, flögen ihm Jobs und Anerkennung einfach zu.

Vermutlich deshalb wird Mitsotakis von Freund und Feind chronisch unterschätzt. Gelegentlich mit fatalen Folgen für die Betroffenen: Als 2016 die Mitglieder der damaligen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) einen neuen Vorsitzenden wählten, warf der langjährige Minister Evangelos Meimarakis seinen Hut in den Ring und die Entscheidung für ihn erschien als reine Formsache. Doch plötzlich tauchte Mitsotakis aus dem Nichts auf, organisierte den innerparteilichen Wahlkampf im Schnellverfahren und ließ sich anschließend als Wahlsieger und Hoffnungsträger einer neuen konservativen Generation feiern, die ihn an diesem Sonntag mit ihrer Stimme sogar ins Amt des Ministerpräsidenten hievte.

Nun muss Mitsotakis folgenden Widerspruch auflösen: Einerseits bleibt das Etikett des Elitezöglings an ihm haften. Andererseits hat der Mann in der eigenen Partei bewiesen, dass er gegen Altinteressen vorgehen kann, wenn er nur will. Mit diesem Erfahrungsschatz verspricht Mitsotakis nun, auch die krisengeplagte griechische Wirtschaft aus den Fesseln der Seilschaften und Altinteressen zu befreien.

Da hat er sich einiges vorgenommen. In Griechenland werden Wirtschaftsreformen gern in Aussicht gestellt, aber noch viel lieber verschleppt. Oft sind mächtige Lobbyisten am Werk, die den Konservativen oder auch der einst mächtigen sozialistischen Partei Pasok nahestehen. Überhaupt sind die beiden Altparteien, nämlich die konservative ND und die sozialdemokratische Kinal, zum großen Teil mitverantwortlich für die heutige Wirtschaftsmisere im Land. Um nur ein Beispiel für erfolgreiche Reformverschleppung zu nennen: Erst 2012, drei Jahre nachdem die Schuldenkrise ausgebrochen war, gelang es dem damaligen Übergangspremier Loukas Papademos durchzusetzen, dass Babymilch auch in Supermärkten verkauft werden darf. Davor blockierte die mächtige Apotheker-Lobby das Reförmchen mit dem Argument, die Gesundheit der Babys sei in Gefahr.

Eine besondere Form von Kasino-Kapitalismus

Mit solchen Bedenkenträgern will Mitsotakis brechen. Auch die verschleppten Privatisierungen will der neue Premier voranbringen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Wobei noch die Frage geklärt werden muss, welcher Verkauf von Staatseigentum Sinn macht und nachhaltiges Wachstum für Griechenland bringt.

Als besonders gelungene und dennoch umstrittene Privatisierung gilt etwa der Verkauf des einstigen Sportwettenmonopols Opap an einen tschechischen Investor im Jahr 2013. Daran beteiligt war auch der damalige konservative Finanzminister Jannis Stournaras. Der neue Investor modernisierte alle Opap-Filialen und brachte den Umsatz zügig auf Trab. Heute will er Spielautomaten installieren – und zwar überall in Griechenland, in jeder Filiale. Eine besondere Form von Kasino-Kapitalismus sozusagen. Ist das wirklich das Wachstum, das Griechenland nötig hat?

Sein Vorgänger, der Linke Alexis Tsipras, wollte sich aus dem EU-Sparkorsett befreien – und scheiterte. Als er am Sonntagabend seine Niederlage eingestehen muss, sieht er müde und abgekämpft aus. Es ist ihm anzusehen, dass der Gang nicht leichtfällt. „Wir haben viel gekämpft und erreicht, immer mit erhobenem Haupt“, sagt Tsipras. So werde er auch mit erhobenem Haupt das Votum der Bevölkerung akzeptieren. Regierungswechsel gehörten zum Wesen der Demokratie, gibt sich der linke Frontmann staatsmännisch. Heute schließe sich für ihn und sein Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) „ein großer und schwieriger Kreis“. In einer historischen Krisensituation habe Syriza als Protestpartei vor viereinhalb Jahren die Regierungsverantwortung übernommen. Schwierige Entscheidungen habe sie seitdem treffen und dafür einen hohen politische Preis zahlen müssen.

Mitsotakis will mit Bedenkenträgern brechen und verschleppte Privatisierungen voranbringen

Trotz des unbestreitbaren Erfolgs der Nea Dimokratia zeige das Wahlergebnis von mehr als 31 Prozent für Syriza – deutlich mehr als prognostiziert – gleichwohl, dass ein großer Teil der Bevölkerung Vertrauen in seine Partei setze. Seine Botschaft: Er ist geschlagen, aber hat keineswegs kapituliert. „In meinem Leben und auf meinem politischen Weg habe ich gelernt zu kämpfen“, sagt der 44-Jährige. Und das werde er weiterhin.

Die finanzpolitische Zwangsjacke für Athen weiter lockern

Der Neue, Mitsotakis, muss sich zunächst der öffentlichen Verwaltung zuwenden. Da ist das Budget besonders schmal und der Reformbedarf unendlich groß. Außerdem drängt die Zeit: Bereits in den nächsten Tagen will er seine ersten Reformpakete für die öffentliche Verwaltung und das Steuerwesen im griechischen Parlament durchbringen – noch vor der Sommerpause, im Eiltempo. Spätestens im September wird der neue konservative Finanzminister in Brüssel erwartet und muss dort seinen Amtskollegen Rede und Antwort stehen.

Die Zeichen stehen auf Sturm: Bereits am Montag mahnten EU-Vertreter in Brüssel, Athen sei mit der Umsetzung von Reformen in Verzug und habe viel Zeit mit Wahlkampfmanövern verloren. Dabei will Mitsotakis die finanzpolitische Zwangsjacke für Athen in den nächsten Jahren weiter lockern und insbesondere die Höhe der Überschüsse im Staatshaushalt neu verhandeln.

Laut Medienberichten erteilt die EU-Kommission dieser Bitte bisher eine Absage. Allerdings hoffen die Konservativen, dass ihr Reformeifer die Gemüter in Brüssel milder stimmt. Das haben die Griechen schon einmal gehofft: Im Herbst 2012 hatte der damalige konservative Regierungschef Antonis Samaras Berlin und Brüssel um Schuldenerleichterungen für Griechenland gebeten – in der offensichtlichen Annahme, die konservativen Amtskollegen in Berlin und Brüssel würden ihm diesen Gefallen schon tun. Leider musste er unverrichteter Dinge nach Athen zurückkommen.

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