Verschärfung des Prostitutionsrechts: Sexarbeit „nur noch im Wald“

SPD-Politikerinnen fordern, den Kauf von Sex zu verbieten und Freier zu bestrafen. Nachdem die taz berichtete, folgt jetzt Widerstand gegen die Pläne.

Füße und Beine einer Prostituierten im Bordell

Prostituierte in Frankfurt. Die SPD-Forderung: Prostitution verbieten, aber nur die Freier bestrafen Foto: dpa

BERLIN taz | Widerstand gegen Pläne aus der SPD: Oppositionspolitikerinnen, Expertinnen und Sexarbeiterinnen sprechen sich gegen ein Sexkaufverbot aus. Sie reagieren damit auf einen Bericht der taz, in dem hochrangige Sozialdemokratinnen das sogenannte nordische Modell gefordert haben. Unter anderem forderte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, den Kauf von Sex vollständig zu verbieten und Freier zu bestrafen.

„Für SexarbeiterInnen wäre die Einführung des nordischen Modells eine Katastrophe“, sagt Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie selbst habe in Schweden mehrere Gespräche zur Auswertung des dort geltenden nordischen Modells geführt. Es verhindere Prostitution nicht, sondern verlagere sie in den illegalen Raum. „Betroffene finden noch weniger Schutz als zuvor und werden stigmatisiert.“

Sollte die SPD beschließen, das Modell einzuführen, habe sich „in der Partei ein Frauenbild durchgesetzt, das fernab jeden feministischen Denkansatzes ist“, sagt Möhring. Offenbar gingen einige in der Partei davon aus, „dass Frauen nicht selbstbestimmt handeln können und von der SPD gerettet werden müssen“. Mit dem nordischen Modell allerdings werde niemand gerettet.

Auch die frauenpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Ulle Schauws, sagt: „Die SPD kann sich nicht das Selbstbestimmungsrecht von Frauen auf die Fahnen schreiben und ihnen zugleich prinzipiell absprechen, dass die Entscheidung darüber, was sie mit ihren Körpern machen, selbstbestimmt sein kann.“ Man brauche nicht das nordische Modell, sondern einen Ausbau und Mittel für freiwillige Beratung. Nur so könne Prostitution entstigmatisiert werden.

„Alle Bordelle geschlossen“

Die Historikerin Sonja Dolinsek, die zu Prostitutionspolitik forscht, sagt, mit Einführung des nordischen Modells müssten „alle Bordelle in Deutschland geschlossen werden“. Was mit den Sexarbeiterinnen passierte, wäre unklar. „Sie könnten nur noch in Einzelwohnungen, im Wald oder auf der Straße arbeiten – das trägt auf keinen Fall zur Sicherheit bei.“ Zudem würde überhaupt nicht mehr bekannt, unter welchen Bedingungen gearbeitet würde.

„Es hat sich bisher jenseits unserer Vorstellungskraft bewegt, was innerhalb der SPD im Gespräch ist“, sagt Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. Das nordische Modell werde von Sexarbeiterinnen weltweit abgelehnt. Im Hinblick auf die Evaluation des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes, das in Deutschland 2018 in Kraft getreten ist und ab Juli 2022 evaluiert werden soll, sagte sie: „Schon jetzt wird die Musik gemacht für neue Gesetze.“ Die Debatte in der SPD halte sie insofern für „sehr gefährlich“.

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