gefahr von rechts
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Auf der Feindesliste

Sie engagieren sich gegen rechts oder gehören der Linken an – und müssen um ihr Leben fürchten. Rechtsextremisten wollten sie am Tag X töten

Seit Freitag haben mehrere Personen in Mecklenburg-Vorpommern Post vom BKA bekommen. „Zeugenladung“ steht darin als Betreff. Und dann die Straftat, wegen der ermittelt wird: „Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“. Es geht um rechtsextremistische Terrorpläne.

Die Ermittler werfen einem Anwalt aus Rostock und einem Kriminalpolizisten aus West-Mecklenburg vor, Listen angelegt zu haben mit Politikern, Aktivisten, Personen aus dem linken Spektrum. Die, so der Vorwurf, wollten die beiden Männer an einem Tag X töten. Was dort nicht steht: Die Zeugen werden nicht nur geladen, weil sie etwas über die geplante Tat wissen könnten. Sie gehören zu denjenigen, die auf der Liste gestanden haben. Wie nach einer Sitzung des Landesinnenausschusses in Mecklenburg-Vorpommern am vergangenen Donnerstag bekannt wurde, sollen 29 Personen betroffen sein.

Seit zwei Jahren ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen die beiden Männer, bekannt wurden die Vorwürfe, als das BKA im August 2017 Razzien bei den Beschuldigten und vier Zeugen durchführte. Neben einer nicht näher benannten Menge an Waffen und Munition hatten die Ermittler auch eine Sammlung von Personendaten gefunden, Auszüge aus öffentlichen Registern, Internetrecherchen, teils mit handschriftlichen Vermerken versehen. Diese als „lose Blattsammlung“ beschriebene Liste soll von dem Rostocker Rechtsanwalt Jan-Hendrik H. stammen. Der zweite Beschuldigte, der Kriminalpolizist Haik J., steht im Verdacht, seinen Dienstrechner genutzt zu haben, um diese Personen zu recherchieren. Jan-Hendrik H. ist ein Anwalt aus Rostock, der auch ein Mandat im Stadtparlament hatte.

Unter den Personen, die jetzt vom BKA informiert wurden, sind nach taz-Informationen Landtagsabgeordnete der Linkspartei, mehrere Abgeordnete des Stadtparlaments sowie Sachverständige, die in Ausschüssen, in denen H. Mitglied war, eingeladen waren. Zu den Personen auf der Liste zählen nicht nur Abgeordnete, sondern auch Menschen, die sich in einem Rostocker Bürgerbündnis gegen rechts engagieren. Andere organisieren das Gedenken für das verstorbene NSU-Opfer Mehmet Turgut, der in Rostock erschossen wurde. Jan-Hendrik H. soll laut einer Zeugenaussage anlässlich einer Feier einen Schießwettbewerb veranstaltet haben – als Gewinn gab es einen Trophäe, die nach Mehmet Turgut benannt war.

Die beiden Beschuldigten sind Teil eines Netzwerks sogenannter Prepper, also Personen, die sich auf Katastrophen vorbereiten. Dafür hatten sie sich mit etwa 30 anderen Gleichgesinnten getroffen. Zudem hatten sie sich in Chatgruppen vernetzt, bekannt unter den Namen „Nord“, „Nordkreuz“ oder „Vier gewinnt“. Sie sind Teil eines bundesweiten Netzwerks mit ähnlichen Chatgruppen, die von einer Person geleitet wurden. Sein Name: André S. Auch bekannt als Hannibal.

Das besondere an dieser Gruppe: Unter den Mitgliedern sind Polizisten, Soldaten, Reservisten und Behördenmitarbeiter – Menschen also, deren Aufgabe es ist, den Staat zu schützen und aufrechtzuerhalten. Stattdessen sorgen sie für dessen Zusammenbruch vor.

Die Ermittler hatten nach der Durchsuchung Daten nach Mecklenburg-Vorpommern weitergegeben und eine Gefährdungseinschätzung abgegeben. Seither oblag es dem Innenministerium und den untergeordneten Sicherheitsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern, die aufgelisteten Personen über eine mögliche Gefährdung zu informieren.

Das Landesinnenministerium von CDU-Minister Lorenz Caffier hatte stets betont, dass anhand der Informationen eine Benachrichtigung nicht als nötig erachtet wurde, da keine Gefährdung ersichtlich sei. In Bayern hingegen wurde beispielsweise mindestens eine Person informiert. Jetzt erfahren die betroffenen Personen in Mecklenburg-Vorpommern von einer Bundesbehörde, dass ihre Daten gesammelt wurden.

Christina Schmidt