Ungewöhnliche Werbemaßnahme: Fake News auf Staatskosten

Die staatliche PR-Agentur in Norwegen behauptet, eine Insel wolle die Zeit abschaffen. Viele Medien vermelden das – und fallen auf eine Ente herein.

Die Sonne geht hinter der Sommaroy-Brücke unter, die die Inseln Kvaloya und Sommaroy verbindet.

Das norwegische Sommaroy bekam wohl noch nie so viel Aufmerksamkeit wie in den letzten Tagen Foto: dpa

BERLIN taz | Ja, es lebt sich etwas anders im Land der Mitternachtssonne. Da kann man tatsächlich mal die Uhrzeit vergessen. Vergessen? Warum nicht gleich abschaffen?!

So in etwa kann man sich das Brainstorming vorstellen, als PR-Profis in Norwegen folgende Geschichte ersannen: Die Bewohner der Insel Sommarøy, Sommerinsel, nördlich des Polarkreises, wollen eine „zeitlose Zone“ errichten. Sie schreiben eine Petition an die Regierung und entsorgen ihre Uhren am Geländer einer Brücke.

Ausgedacht haben sich das nicht etwa die Mitarbeiter einer privaten Werbeagentur, sondern die von „Innovasjon Norge“, der staatlichen Informationsagentur, die Norwegen im Ausland verkaufen soll. Von Spiegel Online bis zum Guardian, von China Daily bis zum Time-Magazin – rund um den Globus berichteten Redaktionen, selbst norwegische machten mit. Schließlich ist die aus Steuermitteln finanzierte Innovasjon Norge eine seriöse Quelle.

Dumm nur, dass die meisten Einwohner von Sommarøy nie von einer „zeitlosen Zone“ gehört hatten. Als der norwegische Rundfunk NRK begann nachzufragen, rückte Innovasjon Norge scheibchenweise mit der Wahrheit heraus. Am vergangenen Freitag gestand man, dass es sich um eine von der Behörde initiierte Story gehandelt habe. Gleichzeitig brüstete man sich damit, dass man für gerade einmal umgerechnet 50.000 Euro, die die Kampagne – vermutlich einschließlich der Billiguhren am Brückengeländer – gekostet habe, binnen einer Woche 1.471 Medien weltweit hereingelegt hatte.

Es dauert, bis sich die ersten Medien berichtigen

Die Richtigstellung wurde von vielen Medien erst einmal übersehen. Erst als immer mehr Norweger „Innovasjon Norge“ aufforderten, sich offiziell zu entschuldigen, reagierten die ersten Medien. Bei Spiegel Online steht vor dem Text nun ein Disclaimer, die dpa rief selbst auf der Insel an.

Norwegische Medien reagierten entrüstet: „Steuergelder für Fake News? Nein danke!“, schrieb der digitale Mediendienst Medier24. Ähnlich sieht das Harald Klungtveit von Filter Nyheter: Am meisten Sorge müsse die anscheinend völlig fehlende Bereitschaft vieler Medien zur Faktenkontrolle machen. Selbst die Ministerpräsidentin Erna Solberg nahm Stellung: „Niemand soll falsche Nachrichten verbreiten, weder Medien noch „Innovasjon Norge“.

Für die PR-Agentur zuständig ist Wirtschaftsminister Torbjørn Røe Isaksen. Er kritisierte am Mittwoch, die Kampagne hätte man „niemals so“ machen dürfen. Allerdings war sein Ministerium vorab von „Innovasjon Norge“ informiert worden, man werde eine Nachricht verbreiten, „die kein wirklicher Wunsch ist, sondern ausländischen Besuchern von der Mitternachtssonne erzählen soll“. Bedenken hatte das Ministerium offenbar nicht.

Andere Tourismusanbieter jedenfalls fürchten schon böse Konsequenzen aus der Falsch-Meldung: „So etwas kann die Glaubwürdigkeit für die ganze norwegische Tourismusbranche zerstören.“ sagt „Hurtigruten“-Direktor Daniel Skjeldam.

Mittlerweile jedenfalls haben einige Insel-Bewohner Gefallen an der Idee gefunden. Man arbeite wirklich daran, als zeitfreie Insel anerkannt zu werden, erklärte der Leiter der Initiative jetzt gegenüber der dpa. Eine Petition gebe es wirklich, sie sei dem Parlament in Oslo auch schon vorgelegt worden.

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