Geplante Grundgesetzänderung: Poker um die Grundsteuer

Für die anstehende Reform brauchen Union und SPD die Zustimmung der Opposition. Sie setzen dabei auf die Last des fehlenden Geldes.

Mülltonnen stehen vor einer Reihe Häuser in einer Neubausiedlung in Regensburg

Ob Grundsteuer oder Mülltonne: Alles muss seine Ordnung haben Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist eine erstaunliche Situation: Die Bundesregierung möchte die Zustimmung der Opposition zu einer Verfassungsänderung, ohne ihr Gegenleistungen anzubieten. Und möglicherweise kommen Union und SPD damit sogar durch.

Es geht um die Reform der Grundsteuer auf alle Grundstücke und Gebäude, die pro Jahr rund 15 Milliarden Euro einbringt. Diese fließen den Städten und Gemeinden zu. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss das veraltete Berechnungsverfahren modernisiert werden, sonst darf die Steuer ab 2020 nicht mehr erhoben werden.

Die drei Gesetze sind an diesem Donnerstag zur ersten Lesung im Bundestag, darunter eine Änderung des Grundgesetzes, die den Ländern eine weitgehende Abweichung von der Bundesregelung ermöglicht. Vor allem die bayerische CSU-Landesregierung hat das durchgesetzt.

Nun kommt es auf die Opposition an. Mindestens 77 Abgeordnete von AfD, FDP, Linken oder Grünen müssten mit der Koalition stimmen, um die für die Grundgesetzänderung nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Gingen AfD oder FDP komplett mit, wäre die Hürde genommen. Grüne oder Linke alleine reichen nicht.

„Es geht um 60 Milliarden Euro“

Bei den Fraktionen von Union und SPD scheint die Hoffnung vorzuherrschen, keinen Preis für die Zweidrittelmehrheit zahlen zu müssen. „Der Druck, der Grundsteuerreform und der Verfassungsänderung zuzustimmen, lastet auf allen“, sagte Bernhard Daldrup, SPD-Parlamentarier aus dem nordrhein-westfälischen Warendorf. Er spielt damit unter anderem auf die Bundesländer mit liberaler und grüner Regierungsbeteiligung an, deren Kommunen wie alle anderen auch auf die Grundsteuereinnahmen angewiesen sind.

„Es geht um rund 60 Milliarden Euro im Verlauf einer Legislaturperiode“, so Daldrup. „Deshalb frage ich mich, wie stark die Verhandlungsposition der Opposition in dieser Frage ist.“ Auch die Fraktionsspitze der Union hofft auf den „heilsamen Druck“, den der drohende Verlust von 15 Milliarden Euro ausübt.

Ob dieses Kalkül aufgeht, ist offen. Noch hat die FDP keine Lust, einfach Ja zu sagen. Fraktionsvize Christian Dürr signalisiert einerseits „Gesprächsbereitschaft“, fordert andererseits aber ein Zugeständnis bei der Grunderwerbssteuer. Dort wollen die Liberalen ebenfalls eine Öffnungsklausel für die Bundesländer durchsetzen, damit diese einen Freibetrag für Häuslebauer einführen können.

Die AfD lehnt den Vorschlag der Koalition komplett ab, inklusive Verfassungsänderung. Mit der Zustimmung der Linken kann die Regierung ebenfalls nicht rechnen.

Keine Umlage auf die Mieten

Und was sagen die Grünen? Dort quält man sich mit der Positionierung. „Fiele die Grundsteuer im kommenden Jahr weg, wäre das katastrophal für die finanzielle Lage der Kommunen“, erklärte Finanzsprecherin Lisa Paus. „Deshalb sind wir grundsätzlich bereit, eine Reform zu ermöglichen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber zu früh, sich festzulegen.“

Sie fordert, dass die Regierung die Umlage der Grundsteuer auf die Mieten abschaffen solle. Doch nach einer harten Bedingung für die Zustimmung zur Verfassungsänderung klingt das nicht.

Trotz erheblicher Magenschmerzen könnten die Grünen das Ansinnen der Regierung auch deshalb unterstützen, weil ihre Landesminister*innen die Lage vor Ort genau kennen. Monika Heinold, grüne Finanzministerin von Schleswig-Holstein, unterstützt den Gesetzentwurf: „Für die Kommunen sind die Einnahmen aus der Grundsteuer existenziell.“ Je näher das Jahresende rückt, und damit der drohende Wegfall von 15 Milliarden, könnte diese Haltung mehr Anhänger*innen gewinnen – auch bei der FDP.

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