Erholung auch für Kleinste: Kinder brauchen Kita-Urlaub

Hamburger Wohlfahrtsverband beklagt einen Trend: Immer öfter lassen Eltern ihre Kinder in den Ferien in der Kita – das aber sei wie Arbeit

Ein blondes Mädchen mit hut sitzt auf einer Schaukel

Urlaub muss nicht weit weg sein: Eltern können auch einfach mit dem Kind auf den Spielplatz gehen Foto: dpa

HAMBURG taz | Elke Schmidt muss sich erst mal Luft machen. „Es fällt auf, dass immer mehr Kinder durchgängig hier in der Einrichtung sind“, sagt die Kita-Leiterin aus Hamburg-Harburg. Nur bei Krankheit ließen die Eltern die Kleinen zu Hause. Ein Zweijähriger etwa sei schon acht Monate ohne Pause in der Krippe. „Das ist Arbeit für ihn. Er braucht auch Erholung.“ Doch es sei Trend bei den Eltern: die Kita als Dienstleitungsbetrieb zu sehen und „nur an sich zu denken“.

Die sechs Wochen Schulferien, die in Hamburg gerade begonnen haben, sind klar vorgegeben. Bei den 1.150 Kitas der Stadt ist es etwas komplizierter. Bis zu vier Wochen im Jahr darf ein Haus schließen, so steht es im Landesrahmenvertrag. Doch es muss für Eltern, die ihre Kinder nicht betreuen können, „Notgruppen“ geben. Diese können auch aus mehreren Kitas der Umgebung gemeinsam gebildet werden.

Die Kita von Elke Schmidt, die ihren wirklichen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat für diesen Sommer so eine Notgruppe eingerichtet. Und dort hätten auch nicht nur Berufstätige ihre Kinder angemeldet, sondern auch Eltern, die zu Hause sind und etwas anderes vorhaben, als Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Nicht mal mit zum Einkaufen

Doch das Recht auf Ferien muss auch für Kinder gelten, sagt Schmidt. „In der Kita müssen sie sich immer an Regeln halten, immer pünktlich sein.“ Zu Hause könnten die Kinder auch mal nicht auf die Uhr gucken, mit den Eltern zum Spielplatz oder einfach einkaufen gehen. „Das wird heute alles ohne die Kinder erledigt“, sagt die Erzieherin. „Für die Eltern sind wir Kitas die Dienstleister, die alles für die Kinder machen.“

Hinzu komme, dass der Wechsel in die Notgruppe mit anderen Erziehern und Kindern in fremder Umgebung für die Kleinen „Stress“ bedeute. Die Stadt richte die Politik nur auf die Eltern aus. „Den Blickwinkel der Kinder hat man verloren“, sagt Schmidt.

Schmidts Kita ist eine von rund 200, die beim Alternativen Wohlfahrtsverband Soal Mitglied sind. Der richtete jetzt einen Urlaubs-Appell an die Eltern: Jene 20 Tage Urlaub, auf die jeder Arbeitnehmer mindestens Anspruch habe, stünden auch den Kindern zu. Denn Kitas seien auch Bildungseinrichtungen. „Urlaub von der Kita“ sei wichtig „um das Erlebte und Erlernte zu verarbeiten“. Der Kita-Gutschein sichere zwar das Recht auf ganzjährige Betreuung, sei aber kein „Kinder-Abgabe-Schein“. Darauf sollten Eltern bei ihrer Ferienplanung achten.

„Wir haben aus der Fachberatung den Eindruck, dass Eltern die Kita zunehmend nur als Dienstleistung sehen“, ergänzt Soal-Geschäftsführerin Sabine Kümmerle. „Manche Eltern haben den Eindruck, Urlaub kann nichts anderes sein als verreisen.“ Doch auch die Zeit der Kinder mit der Familie im überschaubaren Umfeld sei „wichtig“.

Auch dem Hamburger Landeselternausschuss (LEA) ist das Thema bekannt. „Leider gibt es dies“, sagt LEA-Vorstandsmitglied Michael Thierbach der taz. Einige Eltern ließen ihre Kinder „Vollzeit“ in der Kita, während sie teilweise sogar selbst in Urlaub führen, und „Oma oder Opa die Enkel weiterhin zur Kita bringen“, so Thierbach. Ob dies zunehme, lasse sich für den LEA nicht beurteilen, da müsse man den Verbänden glauben. Grundsätzlich sollte jedes Kind eine Kita-Auszeit haben. Wünschenswert, aber nicht immer mit der Lebensrealität vereinbar, wären „zwei, drei Wochen am Stück“.

Größter Träger setzt auf Gespräche

Sozialbehördensprecher Oliver Klessmann sagt, die von Soal beschriebene Situation sei der Trägerberatung im Haus „in Einzelfällen bekannt“. Auch er sagt, die tatsächliche Häufigkeit könne man dort nicht abschätzen. „Ob von einem Trend gesprochen werden kann, ist daher fraglich“, so Klessmann. Sinnvoll erscheine, dass in Fällen, in denen Eltern ihren Kindern keine Ferien von der Kita gewähren, die Erzieher im Gespräch nach Lösungen suchen.

Auch den Elbkinder-Kitas, Hamburgs größtem Träger, ist das Phänomen bekannt. „Da wir nur sieben einzelne Tage im Jahr schließen, erleben wir manchmal die Extremsituation, dass Kinder keinen einzigen Öffnungstag im Jahr zu Hause verbringen“, sagt Sprecherin Katrin Geyer. In solchen Situationen suchten die Kita-Leitungen das persönliche Gespräch. Es gebe aber auch Situationen in einer Familie, die so viele Anwesenheitstage des Kindes unausweichlich machen. Deshalb werden die Elbkinder-Kitas auch „keinen allgemeinen Appell an die Eltern veröffentlichen“, so Geyer.

„Es gibt sicher immer wieder Eltern, die ihre Kinder durchgehend in einer Kita betreut haben möchten“, sagt auch Timo Spiewak, Sprecher der Caritas. Gründe dafür könnten „Druck von Arbeitgebern oder eigene Bedürfnisse der Eltern“ sein. Diesem Trend zu entgegnen, sei auch Aufgabe einer Kita. Die meisten katholischen Kitas in Hamburg vereinbarten mit den Eltern im Betreuungsvertrag, dass es Schließzeiten gibt. Dies ermögliche auch den Mitarbeitern eine Auszeit. Auf Basis einer guten Erholung gelinge dann „der Start ins neue Kitajahr besonders gut“, sagt Spiewak.

Es gibt auch Familien, die sich Urlaub mit ihren Kindern schlicht nicht leisten könne, darauf weist Mehmet Yildiz von der Linksfraktion hin. Er schlägt vor, es sollte einen Etat geben, damit die Kitas mit diesen Kindern „Ausflüge und Reisen unternehmen können“.

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