Umsturz mittels Sandwich

16 Gezi-Aktivisten stehen seit Montag wegen versuchtem Umsturz in der Türkei vor Gericht

Trotz der Wahl am Vortag herrschte vor dem türkischen Gefängnis von Silivri am Montag großer Andrang, wo der Prozess gegen 16 Demokratie-Aktivisten begann. Sie alle hatten sich vor sechs Jahren an den Protesten gegen die Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul beteiligt. Die Proteste, die 2013 als kleine Aktion zum Schutz des Gezi-Parks begannen und zu einer landesweiten Demokratiebewegung gegen die Regierung wurden, sollen nun von der Justiz kriminalisiert werden.

Wegen des „versuchten Umsturzes“ der Regierung sollen so bekannte Vertreter der türkischen Zivilgesellschaft wie der Kulturmäzen Osman Kavala, der Schauspieler Mehmet Ali Alabora, der Journalist Can Dündar, die Architektin Mücella Yapıcı und zwölf weitere Aktivisten der Gezi-Park-Initiative lebenslang ins Gefängnis. Während Dündar und Alabora schon vor Jahren ins Ausland fliehen konnten, sitzt Osman Kavala seit anderthalb Jahren im Silivri-Gefängnis in Untersuchungshaft. Er darf nur sehr eingeschränkt besucht werden und ist im Gefängnis weitgehend isoliert.

Für Kavala sei das praktisch eine vorweggenommene Haftstrafe ohne Verurteilung, kommentiert Human Rights Watch. Es gehe darum, „Menschen zu kriminalisieren, die eine demokratische, weltoffene Türkei wollen“, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Claudia Roth, die zum Prozessauftakt nach Istanbul gekommen war.

Die Anklage wird von unabhängigen Juristen als ein Sammelsurium haltloser Vorwürfe eingestuft, die im Kern nichts anderes als eine Racheaktion von Präsident Erdoğan an seinen politischen Gegnern seien. So soll Osman Kavala zum Beispiel Geld für Sandwiches für die Park-Besetzer gespendet haben. Außerdem will die Anklage beweisen, dass die Proteste gegen Erdoğan vom Ausland gesteuert worden seien, etwa indem sie aufzeigt, dass Projekte von Osman Kavalas vom Goethe-Institut oder anderen europäischen Stiftungen unterstützt wurden. In dieser Argumentation wird etwa ein Treffen Kavalas mit einem deutschen Diplomaten auf einen Kaffee am Taksim-Platz zum Beweis für ein konspiratives Stelldichein gemacht.

In seiner Verteidigungsrede wies Osman Kavala die Vorwürfe zurück. Es gebe keinerlei Beweise, dass er die Proteste finanziert habe. „Es ist nicht möglich, dass eine solche Finanzierung keine Spuren hinterlässt“, sagte er. An den Gezi-Protesten hätten sich Menschen verschiedener Gruppen und Schichten beteiligt, die gemeinsam soziale Gerechtigkeit forderten. „Alle Proteste fanden ohne Organisation von oben statt“, so Kavala. Wolf Wittenfeld