Kakophonische Freak-outs

Ein ganz normaler Abend im Maze mit eben nicht so normaler Musik und dem hart arbeitenden Narval Orquesta aus Chile

Von Thomas Mauch

Der Vorteil bei solchen Veranstaltungen in Berlin mit einer dem Experiment zugeneigten Musik: Da gibt es meist für kleines Geld gleich einen ganzen Kessel Buntes. Verschiedene Programmpunkte, die sich, weil ja alle mal drankommen wollen, nicht allzu sehr in die Länge ziehen und so eher die Spannung halten. Der Nachteil: In diesen kleinen, dem Experimentellen sich öffnenden Schuppen, in denen das angeboten wird, gibt es halt kein fest angestelltes Bühnen- oder sonstiges Personal, das auch mal gut gewerkschaftlich auf die Uhr schaut und sagt, jetzt ist aber Arbeitsschluss. Das bedeutet für die Besucher meist: Warten. Warten, bis es endlich losgeht. Warten, bis nach dem einen Programmpunkt wieder was auf der Bühne passiert. Zeit, die man natürlich gern am Tresen, Getränke bestellend, verbringen soll oder einfach rundherum mit Plaudern, klar. Eine Zeit aber auch, die einen müde stimmen kann.

So waren denn auch an diesem Donnerstagabend im Maze am Mehringdamm, der eigentlich bereits zur Nacht geworden war, die eh nicht so dicht bestückten Publikumsreihen etwas schütterer geworden, als mit dem Narval Orquesta der eigentliche Headliner die Arbeit aufnahm. Schließlich gab es bereits vorab ein gut abendfüllendes Programm zu hören. Zuerst hängte Diane Barbé mit elektronischen Mitteln und einer Zither schwebende Töne in die Kellergruft und stupste die sachte an in einer zen-buddhistischen Übung im Klang. Eine beruhigende, nicht aber ruhig gestellte Musik.

Von G. Lucas Crane im Anschluss gab es dann dagegen ein nervös vibrierende Schreddermusik zu hören mit kleinteiligen Schnipseln aus verschiedenen Klangquellen, souverän manipuliert und collagiert, eine Sache mit Schmackes, die der US-amerikanische Musiker noch mit einer gurrenden Troubadour-Performance verschnitt. Schon ein recht seltsamer Heiliger, dieser Musiker, von den man möglicherweise auch als Mitglied solcher Bands wie Woods oder The Vanishing Voice, die einer freidrehenden und psychedelisch vor sich hin trippenden Musik verpflichtet sind, gehört hat. Jedenfalls kann man sich den Namen ruhig mal merken.

Und dann eben das Narval Orquesta. Ein neunköpfiges Ensemble junger MusikerInnen aus Chile, das sich gerade auf einer Art Work-and-Travel-Tour durch die Kleinclubs Berlin befindet. Der Auftritt im Maze-Keller war bereits der vierte in der Stadt, entsprechend eingespielt präsentierte man sich, gerade auch bei den Grobschlächtigkeiten, mit denen das Orquesta die Musik gern mal angeht. Harsche Brüche gab es im Sekundentakt, mit Satie gefütterte Kaffeehausmusik wechselte mit taumelndem Swing. Jubilierender Jazzrock, Neobarockes, kakophonische Freak-Outs. Eine Patchworkmusik, bei der fröhlich die Genres durchprobiert und auch gegen sie gewendet wurden – so wie das in Berlin ähnlich, mehr vom Jazz her kommend, das Andromeda Mega Express Orchestra macht, und früher, den Pop zerfleischend, ein Frank Zappa.

Musik, die man auf Bandcamp checken kann. Und bei der weiteren Narval-Orquesta-Tour: Am Samstag soll es um 18 Uhr beim Cashmere Radio in Lichtenberg sein, am Sonntag im Petersburg Art Space in Moabit.