Kolumne Jung und dumm: Der Beginn der großen Enthundung

Neben dem Verschissenheitspotenzial städtischer Parks bereiten Hunde vor allem Traumata. Ein Vogel tut es doch auch.

Ein Hund läuft über eine Wiese

Der Hund, immer schneller, kläff, kläff, ich bekam: Angst – noch schneller, noch schneller Foto: dpa

„Ich bin vielleicht einfach nicht dafür geschaffen“, brachte Tante Cordula gerade noch so heraus, nachdem sie sich einen Nagel in den Kopf geschlagen hatte, dann kippte sie um. Es war mir eine Lehre. Familienstreitereien sollten nicht derart enden müssen, erkannte ich. Und überhaupt: Alles wäre anders vielleicht sogar besser.

Aus der neueren feministischen Theorie ist das Postulat bekannt, die Menschen sollten sorgfältiger überlegen, ob sie wirklich so viele (Menschen-)Babys brauchen. Das fordert die große Hundefreundin Donna Haraway, die sich einprägsamerweise auch als „Kompostin“ bezeichnet. Die Hunde selbst können sich schlecht gegen die Aneignung durch eine hippe Mode-Philosophin wehren; und nicht nur den Kompost ihrer stinkenden companion species scheint Haraway vergessen zu haben. Vor allem jedoch: weitere Fragen zu stellen. Brauchen wir so viele Hunde? Was macht das mit unserer Gesellschaft?

Neben dem wie ein Schleier lastenden Verschissenheitspotenzial städtischer Parks bereitet es vor allem Traumata. Als Beispiel mein Leben. Da gab es all die Hunde, vor denen ich Angst hatte als Kind; all die Kläffer, vor denen ich mir, sobald sie losgekläfft hatten (wann genau, schien unberechenbar), die Ohren verschließen wollte, aber die Hände nicht rechtzeitig an die Ohren bekam. Da gab es diesen Hund, der hinter mir herlief, als ich einmal den Hügel hinabrollerte nach dem Kindergarten, immer schneller, auch der Hund, immer schneller, kläff, kläff, ich bekam: Angst – noch schneller, noch schneller, rüber über die Straße, Autos, egal, nur weg. Und nachher war ich natürlich schuld.

Da gab es schließlich diesen Besuch in der Schule, vor dem die anderen Kinder und ich wieder einmal einen dieser Unterschriftenschnipsel bekommen hatten, die die fleißigen Kinder pünktlich zurückbrachten und die reichen Kinder nicht, aber bei denen war das nicht so schlimm wie bei den armen. Ein Mann kam mit Hund, um uns die Angst vor Hunden zu nehmen. Das klingt erst einmal ehrenwert-pädagogisch, vorbildlich – nicht nur Gedichte, auch was fürs Leben! Der hat unsere Hände dann reihum in das Fell seines Tieres gepackt und gesagt, man dürfe dem bloß nie in die Augen gucken, sonst werde er wütend. Das kannte ich schon von den großen Jungs im Bus.

Hetzt sie auf mich

Im Nachhinein fühle ich mich betrogen. Genauso, wie sich die fußlahmen Rentner gefühlt haben müssen, für die irgendein Politiker kürzlich Ampelschulungen forderte, um sie schneller über die Straße zu schleusen. So fließe der Autoverkehr besser.

Es wird Sommer. Wir könnten so viel schöner leben – so viel stressfreier. Begrabt Eure Hunde, wenn sie gestorben sind. Und überlegt Euch gut, ob Ihr neue kaufen wollt oder müsst! Oder hetzt sie halt auf mich, wenn Ihr sauer seid. Ich habe einen ganzen Handwerkskasten, um mich zu verteidigen.

Ein Vogel tut es doch auch.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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