Bremer Bürgerschaftswahl 2019: Grüne wählen Rot

Nach zehn Tagen multilateraler Sondierungen plädiert Bremens Grünen-Vorstand für Koalitionsverhandlungen mit SPD und Die Linke.

Vor der Bremer SPD-Zentrale steht Maike Schaefer mit einem Blumenstrauß

Von der SPD gab's zu den Sondierungen für Maike Schaefer am Montag Geburtstagsblumen Foto: dpa

BREMEN taz | Mit Linkspartei und SPD sollen Bremens Grüne eine neue Koalition aushandeln. Einen entsprechenden Beschluss zu fassen empfiehlt der Landesvorstand der Mitgliederversammlung, die am Donnerstagabend zusammentritt. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer. Ausdrücklich dankte sie auch der CDU „für die vertrauensvollen und konstruktiven Sondierungen“. Sie hoffe, „dass wir daran in der kommenden Wahlperiode anknüpfen können“.

Tatsächlich hatten seit zehn Tagen Gespräch das Terrain sowohl für ein Rot-Rot-Grünes Bündnis als auch für eines mit FDP und CDU geklärt: Bei der Landtagswahl am 26. Mai war die CDU mit 26,7 Prozent erstmals stärkste Kraft im kleinsten Bundesland geworden. Die SPD, die seit 73 Jahren den Bürgermeister im Range eines Ministerpräsidenten stellt, hatte nach Verlusten von fast neun Prozent nicht ganz ein Viertel der Stimmen bekommen. Die seit zwölf Jahren mit den Sozialdemokraten regierenden Grünen waren mit 17,44 Prozent auf dem dritten Platz gelandet.

Zwar war die inhaltliche Nähe des Linksbündnisses unübersehbar: Auswertungen von Tools wie dem wahl-o-mat oder dem wahlswiper hatten bis zu 80 Prozent Übereinstimmungen zumal zwischen Linkspartei und Grünen ergeben, die Daten des Portals abgeordnetewatch bestätigen diese Einschätzung auch für die einzelnen Kandidierenden.

Zweifel gab es allerdings daran, ob es eine clevere Idee sei, dem Wahlverlierer SPD die Stange zu halten – und Carsten Sieling zu einer zweiten Amtszeit als Bürgermeister zu verhelfen, über den mittlerweile auch in der eigenen Partei debattiert wird. „Zu Personalfragen der SPD äußern wir uns nicht“, so Schaefer. „Das ist nicht unsere Bionade.“ Man erwarte aber, dass die Sozialdemokraten den internen Streit „klären – und zwar schnell“.

Ein weiteres Hemmnis: Aus der am Freitag 7. Juni offiziell endenden Legislatur hatte man erhebliche atmosphärische Störungen mitgenommen. Durchaus giftig war die Stimmung zwischen den Vorsitzenden der Fraktionen, Björn Tschöpe, Schaefer und der Linken-Spitzenkandidatin Kristina Vogt beim taz-Salon zur Wahl gewesen.

Neustart mit Nachwuchs

Umso mehr hatte man nun bei den Sondierungen auf zwischenmenschliche Zeichen geachtet – so überreichten Schaefer und Linken-Spitzenfrau Kristina Vogt einander vor den trilateralen Gesprächen im Fraktionsbüro der SPD Blumensträuße: Die beiden hatten Anfang Juni Geburtstag. „Es ist wie in einer Beziehung“, sagte Schaefer zur Frage des nach langen Koalitionsjahren geschwundenen, jetzt aber offenbar erneuerten Vertrauens am Mittwochabend. „Man kann sich nach zwölf Jahren trennen – oder es erneut probieren.“ Auf jeden Fall ändere sich etwas in der neuen Konstellation zu dritt. „Es ist Nachwuchs da.“ Ganz schön großer Nachwuchs: Die Linkspartei hatte 11,32 Prozent bei der Bürgerschaftswahl erhalten.

Das Votum des Vorstands sei einmütig gewesen, erläuterte Landesvorstandssprecherin Alexandra Werwath: Fünf Ja-Stimmen, kein Nein, eine Enthaltung. Am Ende hätten die Inhalte den Ausschlag gegeben, hieß es. „Wir sind überzeugt, mit einem solchen Bündnis auch die sozialen Fragen des Landes mit neuem Schwung angehen zu können“, sagte Schaefer. In Fragen von Klimaschutz und Bildung sei man oft auf gleicher Wellenlänge gewesen. „Wir sind in vielen Punkten bei den Sondierungsgesprächen bereits sehr weit gekommen.“ Auch die Schuldenbremse werde von der Linken „mitgetragen“. Die wird am Donnerstag zeitgleich mit den Grünen einen Parteitag abhalten, um über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu entscheiden.

Bremens Grüne sind ein stark linksorientierter Landesverband. Von der Zustimmung der Mitgliederversammlung ist auszugehen. Der Bundespartei dürfte die Bremer Entwicklung willkommen sein: Nachdem rot-rot-grüne Gespräche in Nordrhein-Westfalen 2010 gescheitert waren und 2008 in Hessen zum Ypsilanti-Debakel geführt hatten, könnte der Zweistädtestaat den Beweis antreten, dass die Ökopartei auch im Westen eine Machtoption links der Mitte hat. „Ein solches Bündnis ist etwas neues nicht nur für Bremen“, betonte Schaefer.

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