Neuer Intendant an Berliner Volksbühne: Restaurierung des Biotops Ost

Kultursenator Klaus Lederer ernennt René Pollesch zum neuen Volksbühnen-Intendanten ab der Saison 2020/21. Richtig so? Ein Wochenkommentar.

René Pollesch, der neue Intendant der Berliner Volksbühne, im Porträt

René Pollesch wird der neue Intendant der Berliner Volksbühne Foto: dpa

Die Spektakelmaschine Volksbühne, sie läuft und läuft und läuft, selbst zwei Jahre nach dem unfreiwilligen Abschied von Langzeitintendant Frank Castorf. Das liegt auch daran, dass sie in bewährter Manier gefüttert wird, und dass alle weiteren irgendwie Beteiligten die klassischen Reflexe zeigen.

Aber von vorn. Am Mittwoch stellte Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) den künftigen Intendanten der Bühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Ostberlin (das Ost ist wichtig, dazu noch später) vor: René Pollesch. Er ist ein Kind des Hauses: Seine Inszenierungen Anfang der 2000er Jahre an der Nebenbühne Prater machten Furore und ihn sogar international bekannt. Mit seinen kurzen, wortlastigen, oft bissigen, immer selbst verfassten und bisweilen sogar unterhaltsamen Stücken wurde er zu einem Publikumsliebling der Volksbühne und arbeitete dort bis zu Castorfs Abgang regelmäßig.

Man könnte also meinen, der Kultursenator geht mit Polleschs Ernennung ab der Saison 2020/21 auf Nummer sicher. Schließlich wurde der ursprüngliche Nachfolger von Castorf, Chris Dercon, von den Fans der Bühne (und von Lederer selbst) von Anfang an misstrauisch beäugt – vorsichtig formuliert. Mit namhaften Gastspielen und -räumen wollte Dercon das Portfolio des Theaters erweitern. Er scheiterte damit auf ganzer Bühne. Zwischenzeitlich besetzte eine Performancegruppe aus Protest gegen Dercon das Haus. Im April 2018, nur wenige Monate nach offiziellem Start als Intendant, schmiss Dercon hin oder Lederer ihn raus – beide Interpretationen stimmen.

Entsprechend jubelten viele Fans der Volksbühne, als die Personalie Pollesch bekannt wurde. Endlich wieder verlässlich Theater schön neben der Spur, politisch aufgeladen, mit Ausstrahlung weit über Berlin hinaus – so ihre Hoffnung.

Stars der Castorf-Ära kommen zurück

All jene hingegen, denen der Castorf-Hype zuletzt zu dicke geworden war, hauen nun fest drauf: Lederer, so der Tenor, wolle das (Räuber-)Rad der Zeit zurückdrehen, mit Pollesch, der am Mittwoch auch gleich angekündigt hat, mit den Schauspielern Martin Wuttke, Kathrin Angerer und Fabian Hinrichs viele der Stars der Castorf-Ära ins Ensemble zurückzuholen. Restaurierung des Biotops Ost, als dessen fester Bestandteil die Volksbühne galt, statt Aufbruch in neue Theaterwelten.

Der Kultursenator geht mit Polleschs Ernennung auf Nummer sicher

Tatsächlich muss sich Lederer fragen lassen, ob er nicht auch eine Frau in diese relevante Position hätte befördern können. Da haben die Berliner Staatsbühnen noch ein bisschen Nachholbedarf.

Aber ob mit Pollesch Osten reloaded das Programm am Rosa-Luxemburg-Platz sein wird – das wird sich erst noch zeigen müssen. Das klingt erst mal banal, gilt aber im Besonderen für die Volksbühne. Hier scheint ja jeder alles vorab und besser und überhaupt zu wissen.

Auch Pollesch wird dafür sorgen müssen, dass der Laden läuft – wie auch immer. Und bisher kann man ihm nicht nachsagen, dass er bei seiner Arbeit gelangweilt hätte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.