Personalmangel im Nahverkehr: Mehr Stress und weniger Pausen

Im ÖPNV ist in den vergangenen 20 Jahren fast jede fünfte Stelle abgebaut worden. Darunter leiden Beschäftigte und Fahrgäste.

Bus inmitten einer Fahrgastmenge

Zu wenig FahrerInnen, zu viele Fahrgäste: Hektik im öffentlichen Nahverkehr, hier in Frankfurt a.M Foto: dpa

BERLIN taz | Der heutige Personalmangel im öffentlichen Nahverkehr wird sich in den kommenden Jahren erheblich verschärfen – nicht nur zulasten der Beschäftigten, sondern auch der Fahrgäste. Davor warnt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die GewerkschafterInnen fordern eine höhere Bezahlung und bessere Bedingungen für die ArbeitnehmerInnen.

Laut Verdi sind heute 130.000 Beschäftigte bei Betrieben des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) tätig, 50.000 weitere bei Subunternehmen. „Das sind 18 Prozent weniger als vor 20 Jahren“, sagt Klaus Schröter, Verdi-Gewerkschaftssekretär Busse und Bahnen auf Bundesebene. Gleichzeitig sind die Fahrgastzahlen um 24 Prozent gestiegen.

Nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen, der mehr als 600 Mitglieder hat, werden bis zum Jahr 2030 rund 40.000 neue Beschäftigte gebraucht. In dieser Zahl nicht enthalten sind die MitarbeiterInnen, die für neue Angebote eingestellt werden müssen.

Der drastische Stellenabbau gehe auf Kürzungen in den Kommunen und die Privatisierung im Bereich des Nahverkehrs zurück, sagt Schröter. Der entstandene Personalmangel belastet die Beschäftigten, der Krankenstand ist hoch. „Sie haben mehr Stress, Pausen können nicht eingehalten werden, wenn die Ablösung nicht kommt, folgt auf die erste eine zweite Schicht“, sagt Schröter.

Neue Angebote müssen warten

Der Personalmangel trifft auch die Fahrgäste, sagt Mira Ball, Bundesfachbereichsleiterin Verkehr bei Verdi. Busse und Bahnen fielen aus, neue Angebote müssten warten. „Die Stadt Osnabrück zum Beispiel sucht Busfahrerinnen oder Busfahrer, um zwei Linien zu erweitern“, berichtet Ball. Weil die Kommune keine finde, müsse sie die Erweiterung verschieben.

„Löhne und Arbeitsbedingungen im Nahverkehr sind nicht attraktiv“, betont Ball. Angesichts der Arbeitsmarktlage könnten Interessierte auf bessere Jobs ausweichen. „Immer weniger wollen sich der Belastung aussetzen“, sagt sie. Die Arbeit beginne sehr früh oder ende sehr spät, hinzu kommen regelmäßige Wochenenddienste. BusfahrerInnen verdienen regional sehr unterschiedlich, laut Verdi im Schnitt zwischen 2.200 Euro und 2.400 Euro brutto im Monat.

Das Ende der Wehrpflicht macht sich bemerkbar

Ball zufolge ist rund die Hälfte der Beschäftigten im ÖPNV um die 50 Jahre alt. „Das bedeutet, dass in einigen Jahren alle Unternehmen gleichzeitig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen werden“, sagt sie. Anders als vor 20 Jahren kommen nicht automatisch neue FahrerInnen auf den Markt. „Früher wurden viele Busfahrer bei der Bundeswehr ausgebildet“, sagt Ball. Nach dem Ende der Wehrpflicht sei das stark zurückgegangen.

Arbeitsbelastungen nehmen eher zu als ab. In Kassel beraten bis Freitag mehr als 250 Personal- und Betriebsräte aus dem ÖPNV, wie sie mit neuen Herausforderungen, etwa durch On-­De­mand-­Angebote, umgehen. Dabei können Fahrgäste Busse nach Bedarf an gewünschte Orte rufen.

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