Sabine am Orde über das Abschneiden der Populisten bei der Wahl
: Schlimm, aber nicht schicksalhaft

Schicksalswahl, so wurde die Abstimmung genannt. Ja, die Rechtsparteien haben bei der Europawahl dazugewonnen, doch weniger stark als befürchtet. Und ja, sie werden ihre destruktive Kraft im Europaparlament ausspielen. Ob sie dies in einer vereinten rechten Fraktion tun werden, die ihnen mehr Ressourcen und mehr Einfluss bringt, ist noch ungewiss. Jenseits von Hetze gegen Flüchtlinge, Islamhass und dem Wunsch, die EU von innen zu sprengen, sind die Widersprüche zwischen den Parteien groß – egal ob es um Geld, die Verteilung von Geflüchteten oder das Verhältnis zu Russland geht. Das große rechte Bündnis ist vor allem erst mal der große Traum der Rechten selbst.

Ein Grund zur Entwarnung aber ist das nicht: Viel gefährlicher für die EU, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa ist die Entwicklung in einzelnen Mitgliedsstaaten. In Ungarn und Polen haben Orbáns Fidesz und Kaczyńskis PiS zugelegt und dürfen dies als Zustimmung zu ihrer Politik werten. In Polen wird dies als Signal für die nationalen Wahlen im Herbst gesehen – der Hoffnung, ein Opposi­tionsbündnis könne die PiS schlagen, hat das einen Dämpfer versetzt.

Ganz besonders beunruhigend aber ist die Entwicklung in zwei EU-Gründerstaaten: In Frankreich ist der Rassemblement National, von Marine Le Pen etwas weichgespült, stärkste Kraft geworden. Dass die proeuropäischen WählerInnen in Frankreich die Mehrheit haben, wie noch beim Zweikampf Macron/Le Pen bei den Präsidentschaftwahlen 2017, droht vorbei zu sein. Und Matteo Salvini hat die Lega zur stärksten Kraft in Italien gemacht – und könnte bald zum nächsten Ministerpräsidenten Italiens aufsteigen.

Rechte EU-Feinde an der Spitze großer europäischer Kernländer: Das würde die EU im Kern erschüttern. Und ihre Macht im Rat weiter stärken, die Blockade verschärfen und eine lösungsorientierte Politik zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage noch schwieriger machen als bislang schon. Ein Konjunkturprogramm für neuen EU-Verdruss. Das ist beunruhigend. Aber schicksalhaft ist es nicht.

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