SPD und die Europawahl: In die Krise – mal wieder

Die Sozialdemokraten landen deutlich unter 20 Prozent. Wer ist schuld? Den Frust könnte Andrea Nahles zu spüren bekommen.

Ein Mann im Europa-Pulli guckt verweifelt

Doch, es geht immer noch schlimmer: Besucher der SPD-„Wahlparty“ am Sonntag in Berlin Foto: reuters

BERLIN taz | Für die kriselnde Sozialdemokratie ist die Europawahl ein existentielles Ereignis. Sie schickte mit Noch-Justizministerin Katarina Barley eine prominente Figur ins Rennen. Sie warb vollmundig für ein soziales Europa – und dafür, die SPD als „Bollwerk gegen rechts“ (SPD-Chefin Andrea Nahles) zu unterstützen. Gewirkt hat beides nicht.

Jetzt könnten Debatten über die Spitzenleute entflammen. Gerade mal 15,6 Prozent sind es nach ersten Hochrechnungen geworden. Das ist ein Desaster für die SPD. Zwar war von vornherein klar, dass die gut 27 Prozent, die die Partei 2014 geholt hatte, unerreichbar sein würden. Doch die „gefühlte Schmerzgrenze von 20 Prozent“, von denen SPDler im Vorfeld sprachen, wurde deutlich unterschritten. Und die Partei liegt nur noch auf dem dritten Platz, weit abgeschlagen hinter Union und Grünen. Was folgt daraus?

Nahles nannte das Ergebnis am Abend „extrem enttäuschend“. Der Klimaschutz sei für viele WählerInnen ein wahlentscheidendes Thema gewesen, sagte sie mit Blick auf den Erfolg der Grünen. Die SPD nehme „diese Herausforderung“ an. Lauten Applaus bekam Katarina Barley. Ihr wird in der SPD ein engagierter Wahlkampf bescheinigt. Habituell hat sie etwas anderes geliefert, als man es von den Sozialdemokraten kennt: Ruhig, freundlich und zugewandt absolvierte sie ihr Programm – und verweigerte sich dem dröhnenden Sound früherer SPD-Wahlkämpfe. Durch Barleys Wechsel nach Europa steht eine Kabinettsumbildung an. Als künftige Justizministerin wird in der SPD die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl gehandelt.

Den Frust über das Ergebnis könnte Nahles zu spüren bekommen, die sich in ihrer Doppelrolle als Partei- und Fraktionschefin aufreibt, ohne Strahlkraft zu entfalten. Selbst ihre Anhänger geben zu, dass sie ein Performance-Problem hat. Zuletzt sorgte sie mit einem Karnevalsauftritt am Aschermittwoch in Thüringen für Kopfschütteln, der im Festsaal als volksnah durchgehen mochte, im Video, verbreitet von der „heute-show“, aber nur peinlich wirkte.

In der Fraktion kursieren Putschpläne. Namen möglicher Nachfolger werden genannt, zum Beispiel der von Achim Post, der die mächtige Landesgruppe der Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen anführt. Auch der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz hat Ambitionen. Schulz will laut Bild am Sonntag bei der anstehenden Wahl des Fraktionsvorsitzes gegen Nahles antreten. „Martin verspricht ganz klar, dass er gegen Andrea antreten wird“, zitierte die Zeitung einen Schulz-Vertrauten. Die Wahl steht Ende September an. Im Nahles-Lager hieß es vergangene Woche, die Gruppe der Unzufriedenen sei überschaubar. Nahles denke nicht daran, eines ihrer Ämter abzugeben. Am Sonntag äußerte sie sich nicht zu ihren Plänen.

Nahles hat ja durchaus Erfolge zu verzeichnen: Sie hat die neurotische SPD befriedet und nach links gerückt. Dass sie das toxische Thema Hartz IV ohne Verwerfungen abräumte, ist eine Leistung. Ob Martin Schulz ein besserer Leithammel ist, ein Mann, der als Kanzlerkandidat den Bundestagswahlkampf 2017 in den Sand setzte – das sei dahingestellt.

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