Kommentar Spermien-Prozess in den USA: Wenn Tote Vater werden

In den USA dürfen Eltern mit dem Sperma ihres verstorbenen Sohnes nun Enkel zeugen. Aber nicht alles, was möglich ist, ist auch richtig.

Künstliche Befruchtung einer Eizelle

Aus den Spermien eines Toten ein Kind zeugen? Faszinierend. Aber nicht für alle Foto: dpa

Die Eltern des verstorbenen US-Amerikaners Peter Zhu sagen es ganz offen: Sie wollen sich ein Stück ihres Sohnes bewahren, um jeden Preis. Deshalb haben sie dem bereits hirntoten jungen Mann, der nach einem Skiunfall als Organspender künstlich am Leben erhalten worden war, Sperma entnehmen lassen. Nun entschied ein Gericht im Bundesstaat New York, dass sie damit Enkel zeugen dürfen. Ein Toter soll Vater werden.

Man könnte einwenden, dass auch andere Paare Kinder mit Hilfe von Samenspendern bekommen, und auch diese später keine Rolle spielen. Und in diesem Fall bestünde ja sogar eine verwandtschaftliche Beziehung. Ist es nicht Teil unseres progressiven Weltbildes, dass neue Familienformen jenseits von Vater-Mutter-Kind entstehen und Familie überall dort ist, wo Kinder sind?

Einerseits ja. Doch viel weniger fortschrittlich erscheint das, was heute reproduktionstechnisch möglich ist, wenn man es aus der Perspektive eines Kindes betrachtet: Der Vater ist schon bei der Zeugung tot, die Mutter eine Eizellenspenderin, ausgetragen von einer Leihmutter, dazu Großeltern, die den Enkel immer mit ihrem verstorbenen und vermissten Sohn vergleichen werden – was für eine Hypothek.

Natürlich kennen auch Adoptivkinder in der Regel ihre biologischen Eltern nicht. Das aber ist keine bewusst gewählte Zeugung; das Adoptivkind ist durch seine Lebensumstände neuen Eltern anvertraut worden.

Eigene Wünsche – nicht unbedingt die der Kinder

Wo immer es umsetzbar ist, versucht man heute Regelungen zu finden, die einen Kontakt zu den leiblichen Eltern bei Volljährigkeit ermöglichen. Auch Kinder von Samenspendern haben nach einem Gerichtsurteil in Deutschland inzwischen das Recht zu erfahren, wer der leibliche Vater ist. Denn es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es eben doch eine Rolle spielt zu wissen, woher man stammt.

Für Erwachsene mit einem Kinderwunsch ist die moderne Reproduktionsmedizin faszinierend, oft sogar elektrisierend und auf jeden Fall ein Segen. Alles scheint möglich. Doch nicht alles ist deshalb auch richtig. Es mag beruhigen sich einzureden, dass ein Kind nicht vermissen wird, was es gar nicht kennt. Dass nur wichtig ist, geliebt zu werden und geborgen aufzuwachsen.

Es klingt einleuchtend und modern, entspricht aber trotzdem nicht der Realität. Die Sehnsucht ist bei vielen trotzdem da. Jeder, der sich für nichttraditionelle Zeugungsmethoden entscheidet, sollte sich deshalb eingestehen, dass die eigenen Wünsche nicht mit denen von Kindern identitisch sind.

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