Tote bei Protesten im Sudan: Jetzt sprechen nur die Waffen

Die Militärregierung kündigt Verhandlungen mit der Protestbewegung auf. Regimegegner rüsten sich nun, um ihre Wohnviertel zu verteidigen.

Rauchschwaden über einer Straße in Khartum

Trauer und Wut statt Zuckerfest: Rauchschwaden in Khartums Straßen Foto: ap

NAIROBI taz | Statt eines festlichen Eid al-Fitr (Zuckerfest zum Ende des Ramadans) herrschen im Sudan Trauer und Wut. Sicher 35 unbewaffnete Demonstranten wurden am Montag getötet, als Sicherheitskräfte gegen die Protestbewegung auf den Straßen vorging. Die Ärztegewerkschaft CCSD spricht zudem von mehreren hundert Verwundeten.

Ärzte berichten, dass die für das Blutbad hauptverantwortliche Miliz „Rapid Support Forces“ (RSF) Krankenhäuser umzingelt hat. „Die RSF hat eine große Zahl von Märtyrern mitgenommen und in den Nil geworfen, berichten Ärzte und Verwundete“, erklärt die CCSD.

Die Bürgeropposition berät jetzt mit Unterstützern in der sudanesischen Diaspora, wie ihr Kampf für eine demokratische und zivile Regierung weitergehen soll. Die großen Straßen in Khartum sind derweil größtenteils verlassen, mit Ausnahme von Militärfahrzeugen. Viele Einwohner haben Angst, anderen streiken wie die Opposition es gefordert hat.

Aber vor allem junge Menschen bauen überall in Khartum und der Zwillingstadt Omdurman auf der anderen Seite des Nils Barrikaden, um die Armee daran zu hindern, in ihre Wohnviertel hineinzufahren. Dabei skandieren sie, dass sie den Kampf nicht aufgeben wollen. „Die Militärs haben die Eskalation und Konfrontation gewählt“, sagt Mohamed Yousef al-Mustafa, ein Sprecher der Sudanese Professionals Association (SPA), die seit Dezember die Proteste anführt, die im April dafür sorgten, dass Militärdiktator Omar al-Bashir abgesetzt wurde. „Bashir ist zwar weg, aber die Militärs sind noch immer da. Es ist jetzt sie oder wir. Es gibt keine Alternative mehr.“

Auch in Gadarif im Osten des Sudans, hat die Armee Demonstranten angegriffen. Es gibt keine Informationen über Opferzahlen, weil die Armee die Kommunikation lahmgelegt hat.

Die Armee schiebt die Schuld auf die Opposition

Die Armee schiebt die Schuld an den Ereignissen vom Montag in die Schuhe der Opposition. Sie sagt, dass sie nur kriminelle Elemente, die sich auf dem Protestplatz vor dem Militärhauptquartier in Khartum aufhielten, wegschaffen wollten. Damit meinten sie eine kleine Gruppe, die Alkohol trank und sich auf einer kleinen Ecke des Platzes aufhielt, wo seit zwei Monaten bis Montag ein friedliches Sit-in stattfand. Die Rechtsprechung im Sudan basiert auf dem islamischen Scharia-Recht, das den Konsum von Alkohol verbietet. Aber die koordinierte Aktion der Armee und der RSF fand nicht nur auf dem Platz statt, sondern überall in Khartum und Omdurman.

Aus Sicht des Vorsitzenden des herrschenden Militärrates, General Abdel Fattah al-Burhan, haben Verhandlungen über eine zukünftige Übergangsregierung mit der Opposition keinen Sinn mehr. Er erklärte, dass es in neun Monaten Wahlen geben soll und der Militärrat jetzt im Alleingang eine Übergangsregierung bilden wird, die die Wahlen organisieren solle. Der Wahlgang soll international beobachtet werden.

Die Opposition sieht ebenfalls keinen Sinn mehr in Verhandlungen und bezweifelt, dass das ehrliche Wahlen werden können. Sie forderte bislang eine mehrjährige Übergangszeit unter einer Übergangsregierung, die eine neue Verfassungsordnung erarbeiten lässt, als Voraussetzung für freie Wahlen. Unter dem aktuellen System behält das Militär die Schlüsselposten der Macht. Schließlich hatte Bashir kurz vor seinem Sturz die nationale Regierung und die Provinzregierungen aufgelöst und durch Militärangehörige ersetzt. Im Westen und Süden des Landes herrscht noch immer Bürgerkrieg.

Die Bevölkerung fürchtet nun für die kommenden neun Monate eine verschärfte militärische Unterdrückung. Angst hat sie insbesondere vor der RSF-Miliz, ein Teil der Armee, berüchtigt für ihre Verbrechen im Krieg in der westlichen Region Darfur. Ihr Anführer Mohamed Hamdan Dagalo, besser bekannt als Hametti, hatte vom gestürzten Diktator Bashir mehr oder weniger die Macht über Darfur erhalten. Er hatte immens viel Militärmaterial und Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Manche Experten glauben, dass seine RSF besser bewaffnet ist als die eigentliche Armee. Und sudanesische Aktivisten fürchten, dass er die Macht ergreifen und eine Herrschaft des Terrors einführen wird – so wie in Darfur.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.