Klima soll Groko retten

Die SPD will beim Klimaschutz jetzt aufs Tempo drücken, die Union vertagt alle wichtigen Entscheidungen hingegen in die Zukunft. Was das für die Koalition heißt, bleibt offen

Im Januar wurde CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier von den streikenden SchülerInnen ausgebuht. Ob sich das jetzt ändern wird? Foto: O. Feldhaus/RubyImages

Aus Berlin Malte Kreutzfeldt
und Anja Maier

Gäbe es in der politischen Berichterstattung ein Rezensions-Format, würde die Pressekonferenz von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wohl als handwerklich solide, aber mäßig ambitioniert bewertet werden. Kein Wunder. Bei ihrem epischen Auftritt vor einer Woche, es war der Tag nach der Europawahl und der Wahl in Bremen, hatte Kramp-Karrenbauer im Konrad-Adenauer-Haus eine sehr gemischte Performance geliefert. Ihr Auftritt mäanderte zwischen Verzweiflung und Optimismus, Drohung und Versprechen. Am Ende hatte die Vorsitzende einen veritablen Shitstorm am Hals, sie hatte den Verdacht geschürt, das Internet zensieren zu wollen.

Diesmal, nach der Klausur von Bundesvorstand und Präsidium, sollte das alles offensichtlich anders, vor allem besser laufen. Kramp-Karrenbauer hielt sich eisern an ihr Redemanuskript. Ihre Sprecherin begrenzte die Anzahl der Fragen von vornherein. Und schließlich fielen die Antworten der Vorsitzenden deutlich kürzer aus als am Montag zuvor.

Die alles bestimmenden Themen waren natürlich der Plan der CDU, aus der eigenen Krise herauszukommen, verbunden mit der Frage, wie eine Zusammenarbeit mit den straucheln­den Sozialdemokraten inhaltlich überhaupt aussehen könnte.

Zum Thema Grundrente, bei der die SPD darauf besteht, diese ohne Bedürftigkeitsprüfung zuzugestehen, zeigte die CDU-Vorsitzende schon mal keine Bereitschaft, die Parteilinie zu verlassen. „Wir stehen zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist“, sagte sie. Auf dieser Grundlage, nämlich einer Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung, könne man weiterverhandeln. Wenig später einigten sich bei einem Treffen im 220 Kilometer entfernten Weimar die Unionsfraktionschef auf eine gemeinsame Erklärung. Dort ist von einer „vereinfachten Anspruchs- und Bedürftigkeitsprüfung“ bei der Grundrente die Rede. Es bewegt sich also was, die Union bewegt sich auf die SPD zu. Schließlich werden die Sozialdemokraten noch gebraucht.

Wir sind da nicht auf der Höhe der Zeit“

Norbert Röttgen (CDU) zum Thema Klimaschutz

In Berlin lag die öffentliche Aufmerksamkeit vor allem auf den Konzepten der CDU für die Klimapolitik innerhalb der Großen Koalition. Die Erwartungen waren durchaus hoch – denn dass bei der Union beim Klima große Defizite bestehen, hat sich inzwischen auch parteiintern herumgesprochen. „Da hat die CDU keine zufriedenstellenden Antworten“, hatte der ehemalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Sonntagabend bei Anne Will eingeräumt. „Wir sind da nicht auf der Höhe der Zeit.“

Wie groß der Nachholbedarf ist, bewies die Partei auch auf Twitter, wo sie am Sonntag als Beispiele für erfolgreichen Klimaschutz den Kampf gegen den sauren Regen, das Ozonloch und verschmutzte Gewässer aufgeführt hatte – allesamt Themen, die mit dem Klima nicht viel zu tun haben.

Das soll sich nun offenbar ändern. Auch Parteichefin Kramp-Karrenbauer begann ihre Pressekonferenz am Montag mit der Behauptung, die Union habe beim Klimathema „die Botschaft der Wähler verstanden“. Den Beweis dafür blieb sie anschließend allerdings schuldig.

Was Kramp-Karrenbauer verkündete, waren pure Selbstverständlichkeiten: Sie betonte, „dass die CDU zum Klimaschutzabkommen von Paris steht“ – angesichts der Tatsache, dass Deutschland sich dazu völkerrechtsmäßig verpflichtet hat, kein sonderlich großes Zugeständnis. Und sie erklärte, der Parteivorstand habe beschlossen, „dass wir den Kompromiss zum Kohleausstieg unterstützen, wie ihn die Kommission vorgelegt hat“. Weil dieser unter wesentlicher Mitwirkung von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier und mehrerer CDU-Ministerpräsidenten entstanden ist, ist auch das wenig überraschend – auch wenn einzelne Unionsabgeordnete den Konsens zuletzt öffentlich in Frage gestellt hatten.

Ende einer Politik-Karriere: Andrea Nahles verlässt das Willy-Brandt-Haus Foto: Tobias Schwarz/afp

Alle weitergehenden Fragen zum Klimaschutz wurden bei der Vorstandsklausur vertagt. Ein Konzept zur „Zukunft der Mobilität“ soll nun erst am 24. Juni beschlossen werden. Zum Thema CO2-Bepreisung sollen „bis zum Herbst“ Vorschläge vorgelegt werden, kündigte Kramp-Karrenbauer an. Ein Entwurf einer Beschlussvorlage, der von den Vorstandsmitgliedern Thomas Strobl und Bernd Althusmann erarbeitet worden war und aus dem das Handelsblatt zitiert hatte, hatte im Vorfeld der Klausurtagung für viel Spott gesorgt. Denn während Vorschläge wie eine CO2-Steuer oder kostenloser Nahverkehr darin abgelehnt werden, soll die Einführung von „Flugtaxis bis spätestens 2025“ ermöglicht werden. Wie diese energieaufwendige Fortbewegungsform dem Klima nützen soll, bleibt dabei das Geheimnis der CDU.

Im Regierungshandeln schlägt sich der angebliche neue Kurs beim Klima derweil noch nicht nieder. Das Klimaschutzgesetz, mit dem SPD-Umweltministerin Svenja Schulze die Ziele für die einzelnen Sektoren verbindlich festschreiben will, wird von der Union blockiert. Nachdem das Kanzleramt letzte Woche verhindert hatte, dass die Ressortabstimmung darüber beginnt, verbot es dem Umweltministerium später sogar, den fertigen Gesetzentwurf auf der Webseite des Ministeriums zu veröffentlichen.

Streikende SchülerInnen oder unzufriedene YouTuberInnen dürfte die Union auf diese Weise kaum zurückgewinnen. Und auch der Koalitionspartner will eine solche Blockade- und Verzögerungspolitik in Zukunft nicht mehr hinnehmen.

„Ich verspreche es fest“

SPD-Vize Olaf Scholz zum Klimaschutzgesetz

Denn auch die SPD hat zur Kenntnis genommen, dass Umfragen zufolge 85 Prozent der Deutschen meinen, die Regierung tue nicht genug für den Umwelt- und Klimaschutz. Und während bisher Teile der Partei mit Rücksicht etwa auf die Kohlekumpel beim Klimaschutz eher auf der Bremse standen, will die SPD nun offenbar geschlossen den Antreiber in der Koalition geben. Parteivize Olaf Scholz, der bisher nicht zu den größten klimapolitischen Vorkämpfern gehörte, zeigte sich hierzu am Sonntagabend bei Anne Will jedenfalls entschlossen. Alle wichtigen klimapolitischen Entscheidungen würden bis Herbst fallen, sagte er zu. „Ich verspreche es fest.“ Und fügte hinzu: „Ohne diese Beschlüsse wird es auch nicht gehen.“

Faktisch erklärt SPD-Vize Scholz schnelle Fortschritte beim Klimaschutz damit zu einer Bedingung für den Fortbestand der Großen Koalition. Und weil viele in der SPD diese lieber heute als morgen verlassen würden, ist diese Drohung durchaus ernst zu nehmen.

Entsprechend unruhig ist die Unionsspitze in Bezug auf den Fortbestand der Koalition. Die Umfragen sind momentan einfach zu schlecht – und für die Grünen viel zu gut –, um einfach auf Neuwahlen zu setzen und zu hoffen, dass schon etwas Gutes für das Land dabei herauskommen würde.

Was bedeutet Klimaschutz? Da ist die CDU nicht ganz sicher

Im Adenauer-Haus waren aber auch selbstkritische Töne zu vernehmen. Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Fähigkeit zur Kanzlerin mittlerweile auch parteiintern in Zweifel gezogen wurde, nannte selbst die Gründe hierfür. Sie sei „mit Mut und Veränderungsbereitschaft“ in ihr Amt als Parteivorsitzende gegangen, sagte sie. Sie habe dann aber in den zurückliegenden Monaten „nicht so konsequent umgesetzt, wie ich es hätte tun sollen“. Vielleicht habe sie „zu viele Rücksichten genommen“. Das werde sie nun ändern. Was dies für die Partei und ihre Organisation konkret bedeuten wird, darauf darf man gespannt sein. Allzu viel Zeit und Geduld wird ihr von ihren Kritikern nicht mehr zugestanden.

In Weimar trat ihr ihre Vorgängerin im Amt zur Seite. Zum Abschluss der Konferenz der Unionsfraktionschefs äußerte sich am Montagnachmittag Angela Merkel. „Wir müssen mit ein bisschen Freude die Sache ernst nehmen“, sagte sie in der ihr eigenen Art. Angesichts der Krise der Regierungskoalition, der sie vorsteht, erinnert derlei Frohsinnsrhetorik an alte Zeiten, da Merkel noch stets den Eindruck zu vermitteln verstand, sie habe jede Lage im Griff.

Ihre Fraktionschefs, denen sie die Aufwartung machte, sehen das etwas unentspannter. Im Herbst wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. Die AfD ist der CDU dicht auf den Fersen. Themen wie Rente, Soli und Klimapolitik haben in Ostdeutschland – etwa in der Braunkohleregion von Brandenburg und Sachsen – eine deutlich höhere Dringlichkeit. In ihrer Abschlusserklärung schrei­ben die CDU-Politiker, Glaubwürdigkeit heiße, „dass das erzielte Ergebnis der Kommission ,Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung‘ vollständig umgesetzt wird“. Vertrauen in den Staat wurzele „in der Fähigkeit seiner Institutionen, in geordneten Verfahren Entscheidungen herbeizuführen und umzusetzen.“ Quasi ein Evergreen bürgerlich-konservativer Politik.