Claus Friese über Kreuzfahrten: Wahnsinn Kreuzfahrt

Kreuzfahrtschiffe sind große Umweltverschmutzer, weshalb Sinnan Reisen sie nun endgültig aus dem Programm streicht.

Schornstein eines Kreuzfahrtschiffes

„Die Luft wird verunreinigt, ökologische Systeme werden angegriffen, die Einheimischen überrannt“ Foto: imago/penofoto

taz: Herr Friese, Sie bezeichnen Kreuzfahrten als Wahnsinn und haben sie aus dem Programm von Sinnan Reisen genommen. Warum so harsch?

Claus Friese: Wir kriegen seit 22 Jahren hervorragendes Feedback von unseren Kunden. Der mäkelnde Teil war von Einzelnen oder den Gruppen, die sich auf Kreuzfahrten befanden.

Sie machen im Kerngeschäft Brasilien Reisen, kaum Kreuzfahrten.

Ja, Kreuzfahrten lagen um die 5 Prozent. Wir ­haben Gäste vermittelt an Cruises Nordamerika oder ­Reisegruppen in Brasilien an den Küsten abgeholt.

Und kein Traumschifffeeling?

Das passt nicht zu uns. Sicherlich hat die Tourismusindustrie diese Fernsehserie erfunden. TUI Cruises baut ein Schiff nach dem anderen.

Und in Werften in Rostock und Wismar freut man sich.

Ja, aber die Luft wird verunreinigt, ökologische Systeme werden angegriffen, die Einheimischen überrannt, auch mit den Luxuskreuzfahrten auf dem Amazonas. Wenn man sich auf so einem Schlachtschiff befindet, ist man auf einem Zerstörer.

Geschäftsführer von Sinnan Reisen. Unter seiner Regie entstand im Regenwald Brasiliens 1997 das Projekt „Maloca“ zur Verteidigung der Kultur der Suruí-Indios, in das ein großer Teil der Einnahmen aus dem Reisegeschäft fließt. In dem Buch „Rio Acima“ fasst er seine Erfahrungen aus zwanzig Jahren Sinnan zusammen.

Die Kreuzfahrtindustrie wirbt mit nachhaltigen Schiffen. Die „Aida Nova“ ist mit Flüssiggas unterwegs und landet auf Platz eins des diesjährigen Nabu-Kreuzfahrtrankings.

Und alle anderen – fast 80 Modelle dieser Sorte – fahren weiterhin mit Schweröl. Es ist kein einziges Schiffsmodell jemals mit dem Ziel Nachhaltigkeit entworfen worden. Es geht einzig darum, Geld zu machen nach der Strategie „Gewinne werden privatisiert, Schäden werden verteilt auf Klima, Umwelt und Gesundheit“. Das Gerede von der Nachhaltigkeit ist Heuchelei, eine Reaktion auf scharfe Kritik an den Schiffen.

Wer eine Woche auf einem Schiff unterwegs ist, verursacht, so Atmosfair, 1.500 Kilogramm Kohlendioxid. Das „klimaverträgliche Jahresbudget“ liegt bei 2.300 Kilogramm. Da bleibt nach einer Kreuzfahrt keine Fernreise nach Brasilien übrig.

Wir werden schon jetzt neue Maßstäbe ans Reisen anlegen müssen. Vielleicht so: „Ich reise nur einmal oder zweimal im Leben nach ­Brasilien.“

Die Statistiken erzählen das Gegenteil: Nicht nur die Kreuzfahrtindustrie wächst enorm.

Es ist eine bequeme Art, wegzukommen. Man bekommt alles serviert und fühlt sich wie ein kleiner König der Welt. Der Tourist, der das macht, will nichts erkunden. Er ist abgeschirmt von der Realität. Du kannst den Amazonas hochfahren, und es ist, als ob eine Plastikscheibe wäre zwischen dir und dem vorbeiziehenden Land. Da gibt es kei­nerlei Berührung, die wehtut, auch keinen Kontakt.

Ist diese Art Kulissenschieberei nicht ein Synonym für Tourismus?

Der Tourismus schafft sich selbst ab, wenn ihm solche Flaggschiffe vorausfahren. Das Kreuzfahrtschiff fährt im Grunde nur im Kreis. Wie ein Kinderkarussell. Es hat kein Ziel, keinen Grund, zu fahren, außer dass Leute ihre Lust und ihre Launen befriedigen können.

Was wollen Sie mit Ihrem Kreuzfahrtstopp erreichen?

Provozieren, zu Gesprächen über Reisen anregen.

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