Medientour „Deutscher Islam“: Die „Pole der Moscheenlandschaft“

„Der Islam“ ist ein Reizthema in Deutschland. Aber muslimische Gemeinden sind sehr verschieden. Zu Besuch in zwei Frankfurter Moscheen.

Ein Mann sitzt im Schneidersitz auf dem Boden und hält einen Koran in der Hand

Der Imam der Abu-Bakr-Moschee bereitet sich auf das Mittagsgebet vor Foto: dpa

FRANKFURT taz | „Was ist ein deutscher Islam?“ – unter dieser Fragestellung hatte der Berliner Mediendienst Integration am Dienstag JournalistInnen in zwei der rund 50 Moscheen in Frankfurt am Main eingeladen. Der „deutsche Islam“; er war der rote Faden, der sich zuletzt etwa durch die vom Bundesinnenministerium veranstaltete Deutsche Islamkonferenz Ende 2018 gezogen hatte. Wie er aussehen könnte, war kontrovers diskutiert worden.

Gleiches gilt für das Programm der Medientour. Die streitbare Bloggerin Sigrid Herrmann-Marschall hatte die Auswahl der Moscheen angegriffen: Vertreter beider Einrichtungen hätten Seminare des Europäischen Instituts für Humanwissenschaften besucht, laut hessischem Verfassungsschutzbericht 2017 eine „Kaderschmiede für Muslimbruderschaft-Funktionäre“, so ihre Kritik.

Daniel Bax vom veranstalteten Mediendienst hatte dagegen argumentiert, die Moscheen seien wegen ihres sozialen Engagement ausgewählt worden, sie stünden „für die unterschiedlichen Pole der Moscheenlandschaft.“

Hohenstaufenstraße 8: Ein in die Jahre gekommener Zweckbau nahe dem Frankfurter Hauptbahnhof, die Adresse der IIS-Moschee. IIS steht für „Islamische Informations- und Serviceleistungen“. Über einen Hinterhof betritt man einen schmucklosen Gebetsraum im Erdgeschoss. Für die Schuhe ist im Windfang vor der Tür ein Regal aufgestellt. Im Innern erinnern nur der Teppich, ein an die Wand gelehntes Miniatur-Minarett aus Holz und eine hellgrüne, zinnenbewehrte Wand an ein Gotteshaus.

Entstanden aus einer „Graswurzelbewegung“

Der Einrichtung ist anzusehen, dass sie weitgehend in Eigenarbeit entstanden ist. „Die Finanzen sind ein Problem“, sagt Mohammed Johari vom IIS-Vorstand ein. „Wir fühlen uns geehrt durch unsere Schwierigkeiten“, sagt er, „denn Unabhängigkeit ist unsere Glaubwürdigkeit.“ Johari ist Diplom-Sozialarbeiter und promovierter Islamwissenschaftler.

Die IIS-Moschee gilt als eine der größten deutschsprachigen multikulturellen Moscheen. Sie sei 1995 aus einer „Graswurzelbewegung“ entstanden, zunächst vor allem für junge deutsche Muslime, welche in den an den Herkunftsländern orientierten Moscheen ihrer Väter keine Heimat gefunden hätten, berichtet Johari. Zum Freitagsgebet versammelten sich hier Menschen aus „50 bis 60 Ethnien“. Frauen seien in der Gemeinde in Verantwortung.

Regelmäßig lädt die Gemeinde zu Obdachlosenspeisungen ein, sie hat 2015 die Stadt beim Flüchtlingsmanagement massiv entlastet und ihre Räume geöffnet, als jeden Tag Hunderte Menschen am nahegelegenen Frankfurter Hauptbahnhof gestrandet waren. 2016 wurde sie für ihre Gemeinwesenarbeit mit dem städtischen Nachbarschaftspreis ausgezeichnet.

Zu Gast ist an diesem Tag Said Barkan, Landesvorsitzender des Zentralrats der Muslime in Hessen. Auch er war wegen seiner Teilnahme an einem Seminar verdächtigt worden, den Muslimbrüdern nahe zu stehen. „Warum beurteilt man die Moscheengemeinden nicht nach dem, was sie sagen und was sie tun, und nicht danach, mit wem sie ‚Kontakte‘ hatten?“, fragt er. Das umstrittene Seminar habe er besucht, weil er als Rechtsanwalt an den rechtswissenschaftlichen Fragestellungen interessiert gewesen sei, nicht an den Personen, die das Seminar ausgerichtet hätten.

Kein Zwang zum Kopftuch

Auch zur Debatte um das Kopftuch müssen die beiden Stellung beziehen. Am Mittwoch, dem Tag nach der Tour, wird das Reizthema an der Frankfurter Universität auf einem Podium diskutiert, das im Vorfeld heftige Kontroversen ausgelöst hatte. Die veranstaltende Professorin, Susanne Schröter, hatte sich anhören müssen, sie befördere „anti-muslimischen Rassismus“.

Bei den Anwesenden in der IIS-Moschee ist die Position klar: Keine Frau sei gezwungen, Kopftuch zu tragen, erst recht kein Mädchen. „Dafür gibt es keine theologische Begründung“, so Barkan vom Zentralrat der Muslime.

Auch Diether Heesemann vom Rat der Religionen der Stadt ist gekommen. Er war bis zu seiner Pensionierung Beauftragter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau für interkulturelle Bildungsarbeit. Heesemann lobt den Beitrag dieser Moscheengemeinde zum interreligiösen Dialog in der Stadt.

Persönlich habe er zu vermitteln versucht, als ISS Probleme mit Bewertungen des hessischen Verfassungsschutzes gehabt habe. Die Behörde habe aber „nicht ansatzweise Einblicke gewährt“, auf welche Fakten und Beobachtungen sie sich bei ihren Einschätzungen stütze, sagt Heesemann. Gastgeber Johari spricht von „Skandalisierungskaskaden“.

Glanz statt Hinterhof

Dann geht es zur zweiten Station der Medientour: In die Abu-Bakr-Moschee im Stadtteil Hausen. Diese Moschee ist ein prächtiges Gebäude mit einem weithin sichtbaren Minarett. Alle Wände, außen und innen, sind mit farbenfrohen Fayencen verkleidet, kunstvoll geschmiedete Messingleuchter glänzen von der Decke und in der zentralen Kuppel im großzügigen Innenraum.

Einwanderer aus Marokko haben in den 60er Jahren den Verein gegründet, der diesen Prachtbau zur Jahrtausendwende realisieren konnte. Auch diese Moscheengemeinde nimmt aktiv am interreligiösen Dialog der Stadt teil, erzählt Geschäftsführer Mohamed Seddadi.

Auch in der Gemeinwesenarbeit ist die Gemeinde aktiv: Es gibt Nachhilfeangebote für SchülerInnen. Die Jugendarbeit organisierten die Jugendlichen weitestgehend unabhängig vom Vorstand, sagt der Geschäftsführer.

Das „schwächere Geschlecht“

Es gebe auch Konflikte, sagt Seddadi, zwischen der Generation der Gründerväter und den Jungen, die in Deutschland sozialisiert und hier zu Hause sind. Die beiden Imame der Gemeinde stammen aus arabischen Ländern und sprechen kaum Deutsch, gebetet und gepredigt wird auf arabisch.

Seddadi gibt sich weltoffen und dialogbereit. Dann wird er von JournalistInnen auf den Internet-Auftritt der Moschee angesprochen. Auf deren Homepage ist zu lesen, dass bei Meinungsverschiedenheiten in der Familie „letztlich der Mann“ zu entscheiden habe, „da die Frau gewissermaßen als das ‚schwächere Geschlecht‘ angesehen wird“. Wie denn diese Position mit dem Grundgesetz zu vereinen sei, auf das er sich doch berufe, wird Seddadi gefragt.

Der Internetauftritt sei nach seiner Kenntnis seit Jahren abgeschaltet, sagt Seddadi freundlich, und für theologische Fragen sei er sowieso nicht der richtige Ansprechpartner. Die Sätze zur Rolle der Frau findet die taz jedoch auch am Abend noch auf der Webseite der Moschee, zusammen mit den tagesaktuellen Gebetszeiten. Erst am nächsten Tag ist die Seite nicht mehr abrufbar.

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