„Am Ende werden wir siegen“

Istanbuls Noch-Bürgermeister İmamoğlu will nicht aufgeben

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Es dauerte eine Viertelstunde, bis der Noch-Bürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, richtig loslegte. „Die Entscheidung der Wahlkommission, uns unseren Sieg abzuerkennen, ist ein Verrat an der Istanbuler Bevölkerung“, rief İmamoğlu seinen Anhängern zu. Sie hatten sich kurz vor Mitternacht am Montag vor dem Rathaus in Beylikdüzü zu Tausenden eingefunden, um gegen die Wahlkommission und den türkischen Präsidenten Erdoğan zu protestieren. „Wir werden ihnen das nicht durchgehen lassen.“ „Am Ende werden wir siegen.“

Da war der Funke bereits übergesprungen. Aus dem Haufen deprimierter Oppositioneller war eine Schar hochmotivierter Kämpfer geworden, die bereit sind, die türkische Demokratie zu verteidigen.

„İmamoğlu ist ein Phänomen“, schrieb einer seiner Anhänger in den sozialen Medien. „Vor einer Stunde wusste ich nicht mehr, was ich machen soll, jetzt bin ich überzeugt, dass alles gut wird“. „Her şey çok güzel olacak“ (Es wird alles gut werden), ist die Parole, die İmamoğlu schon in seinem Wahlkampf benutzt hatte und die jetzt zum Twitter-Hashtag für die neue Kampagne der Opposition geworden ist.

Noch in der Nacht hatten sich die Leute nicht nur in Beylikdüzü, sondern auch in anderen Istanbuler Bezirken versammelt, nachdem sie erfahren hatten, dass der Wahlsieg İmamoğlus für ungültig erklärt worden war. Vier Wochen war die zentrale Wahlkommission von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und der AKP-Spitze unter Druck gesetzt worden. Am Montagabend hatten die elf Richter nachgegeben und mit sieben zu vier Stimmen eine Wiederholung der Istanbul-Wahl angeordnet.

Laut AKP ist die Wahl annulliert worden, weil angeblich die Wahlleiter in einigen Wahllokalen keine Beamte waren, wie es das Wahlgesetz vorschreibt.

Die Entscheidung ist so offensichtlich ungerecht, dass Ekrem İmamoğlu sich für die Neuwahlen am 23. Juni auf eine Welle der Empörung stützen kann. „Bisher“, schrieb der Kolumnist Murat Yetkin, „war es so, dass Erdoğan das psychologische Moment des von der angeblichen Elite ungerecht behandelten Mannes auf seiner Seite hatte. Das ist jetzt umgekehrt. Erdoğan ist der Unterdrücker.“