Kolumne Europa-Express: (K)eine Art zu Reisen

Orange Warnwesten, Tarnkappen, kahl rasierte Köpfe: Auf einer Zugreise durch Europa werden so manche Klischees erfüllt.

Der Kulturpalast in Warschau wirft einen Schatten auf den Vorplatz

Nur noch ein Schatten in der Erinnerung: der Kulturpalast in Warschau Foto: imago images / photothek

Kaum ist der Zug aus Warschau rausgerollt, habe ich das Gefühl, nie dort gewesen zu sein. Habe ich den Kulturpalast – diesen riesigen Prachtbau, der 42 Etagen in den Himmel wächst – wirklich gesehen? Bin ich tatsächlich mit der Warschauer U-Bahn gefahren? Oder war das alles nur ein Traum?

Denn das sind ehrlich gesagt die einzigen Dinge, die ich in dieser Stadt erlebt habe. Wie schade, ich war nämlich zuvor noch nie hier. Doch weil ich spätabends angekommen bin und am nächsten Tag schon wieder weiter Richtung Westen fahren musste, war leider nicht mehr drin.

Eigentlich ist das gar nicht meine Art zu Reisen. Früher vielleicht, bei meinen ersten Trips. Da wollte ich möglichst viele Orte abklappern, möglichst viel erleben. Mittlerweile habe ich gelernt: viel mehr nehme ich von meinen Reisen mit, wenn ich zwar an weniger Orten, dort aber dafür länger verweile.

Klischeehafte Grenzbeamte

Und vor allem steht und fällt alles mit den Menschen, die ich auf meiner Reise kennenlerne. In Vilnius und Kaunas konnte ich mit Ada und Paulina stundenlang spazieren, quatschen, trinken – in meiner Erinnerung sind mir die beiden Städte nun vor allem wegen ihnen sehr lebendig.

Jetzt sitze ich im Zug vom polnischen Örtchen Jelenia Góra, das am Riesengebirge liegt, nach Görlitz. Wobei, „Zug“ möchte ich das gar nicht nennen. Eher ein fahrendes Abteil, so klein ist er. Dafür ist er von der EU finanziert, sagt eine kleine Plakette im Innern.

An der Grenze zwischen Litauen und Polen wurde ich überrascht. Erst verpasse ich es, die Grenze überhaupt wahrzunehmen – kein Zaun, kein Schild, nichts. Doch am nächsten Bahnhof steigen Grenzbeamte ein, so klischeehaft, wie man sich Grenzbeamte eben nur vorstellen kann: orange Warnweste und Tarnkappe auf dem kahl rasierten Kopf.

Vom 23. bis zum 26. Mai 2019 wählen die Bürger*innen der EU zum neunten Mal das Europäische Parlament. Im Vorfeld fährt Autorin Jana Lapper sieben Tage lang mit dem Zug durch sechs europäische Länder, um zu schauen, was die Menschen vor Ort tatsächlich bewegt.

Ich bin gespannt, ob mich bei den nächsten Übergängen ähnliches erwartet. Doch eigentlich sollten Grenzen innerhalb der EU keine Rolle spielen – es gilt ja die Freizügigkeit.

Wir tuckeln durch die niederschlesische Landschaft: sanfte Hügel, Wälder, blühende Rapsfelder und Büsche, dazwischen ein kleiner gekrümmter Fluss. In gut einer Stunde werde ich wieder in Deutschland sein. Wie wird es sich anfühlen, wieder dort zu sein? Wenn auch wieder nur für eine Nacht, denn morgen früh geht es schon weiter nach Frankreich.

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Jahrgang 1991. Seit 2018 bei der taz, seit 2019 als Redakteurin im Auslandsressort mit Schwerpunkt online und Südosteuropa.

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