Kommentar UN-Artenschutzbericht: Wir müssen umfassend neu denken

Es geht nicht mehr nur darum, das Klima zu schützen, sondern die Natur zu erhalten. Beim nötigen Systemwechsel sind alle gefragt.

Frosch

Dem Laubfrosch ist es egal, ob ein Elektroauto durch sein Lebensraum fährt oder ein Diesel Foto: dpa

Das Klima zu retten war also nur die Übung für die Weltgemeinschaft und für jeden Einzelnen. Nach dem Bericht des Weltbiodiversitätsrates ­(Ipbes) geht es darum, das Leben selbst am Leben zu erhalten. Diese Aufgabe beginnt im Garten, führt durch Fabrikhallen, Freizeitparks, Supermärkte und Rapsfelder bis in die Vorstandsetagen und an den Kabinettstisch. Einen Systemwechsel fordern die WissenschaftlerInnen des Weltbiodiversitätsrats, und den bekommen nur alle zusammen hin.

Der Systemwechsel fordert ein Umdenken von allen. Es geht nicht mehr darum, das Klima zu schützen, sondern die Natur zu erhalten. Allein das ist ein gedanklicher Paradigmenwechsel, den auch Grüne vollziehen müssen. Denn für den Artenschutz hilft keine Technik, wie noch in der Abwehr des Klimawandels. Mit dem Versprechen, schwarze Zahlen mit grünen Ideen zu schreiben, konnten Grüne geschmeidig Politik machen. Sie boten eine Alternative – aus Kohlekraftwerken wurden Windkraftanlagen. Mutmaßlich nachhaltige Unternehmen verdienten Mil­liarden. Doch Tieren, Pflanzen und Lebensräumen hilft keine Technik, der Schutz der biologischen Vielfalt befeuert also nicht das Wirtschaftswachstum und lässt sich politisch nicht zu einem Lifestyle-Thema hochjazzen. Dem Frosch ist es egal, ob ein Elektroauto durch seinen Lebensraum fährt oder ein Diesel. Alle sind beim Neudenken gefragt, um den vom Weltbiodiversitätsrat geforderten Systemwechsel zu vollziehen. So ist es erfreulich, nützt aber wenig, wenn Umweltministerin Svenja Schulze die Ausmaße des Berichts ­verstanden hat. Das ganze Kabinett muss folgen.

Finanzminister Olaf Scholz muss das Geld nach ökologischen Kriterien verteilen, Wirtschaftsminister Altmaier nur noch naturverträgliche Vorhaben subventionieren, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner von der irrigen Idee abrücken, dass Pestizide und andere Gifte in irgendeiner Form die Landwirtschaft am Leben erhalten können. Es geht nicht mehr um Zielkonflikte zwischen Naturschutz und Landwirtschaft oder Artenschutz gegen den Neubau von Häusern. Oder Straßen. Es ist ein und dasselbe – Natur und Wirtschaft, Ökologie und Ökonomie bedingen sich in jedem Bereich.

Der Ipbes-Bericht bringt die Zusammenhänge unmissverständlich auf den Punkt. Da die Bundesregierung und mit ihr das Parlament allein zu schwach sind, diese Aufgabe zu lösen, sind wir gefragt. Jeden Tag. Nicht nur freitags für die Zukunft demonstrieren, sondern jeden Tag für die Zukunft handeln. Der Schutz der biologischen Vielfalt muss eine Querschnittsaufgabe aller politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen sein.

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