Mit-Organisator über den Mieten-Move: „Druck erhöhen lohnt sich“

Steffen Jörg von der Vorbereitungsgruppe des Mieten-Moves über den Hamburger Wohnungsmarkt und die Untätigkeit des rot-grünen Senats.

Häuser aus Pappe stehen auf dem Hamburger Rathausmarkt. Auf Schildern stehen Parolen wie "Enteigne mich" oder "Besetze mich".

Basteln für die Demo: Papphäuser auf dem Rathausmarkt kündigen den Mietenmove an Foto: dpa

taz: Herr Jörg, was hat es für einen Sinn, mit dem Mieten-Move zu einem Thema zu mobilisieren, an dem sich ohnehin schon alle abarbeiten?

Steffen Jörg: Das Thema Mieten und Wohnen ist eines, das inzwischen den Großteil der Stadtgesellschaft betrifft. Deshalb lohnt es sich auch, hier den Druck zu erhöhen, weil die Politik bei Weitem nicht die Maßnahmen ergreift, die eigentlich notwendig sind, um eine Stadt für alle zu realisieren.

Was haben Sie an der Politik des Senats auszusetzen?

Dass sie größtenteils Augenwischerei ist und Instrumente gewählt werden, die nicht funktionieren – ganz gleich, ob man sich die Mietpreisbremse anschaut, das Agieren der städtische Wohnungsgesellschaft Saga oder den Wohnungsbau.

Inwiefern?

Der Senat rühmt sich sehr damit, 10.000 Wohnungen im Jahr neu zu bauen – allein: Das sind keine günstigen Wohnungen. Der versprochene Mix von jeweils einem Drittel Sozialwohnungen, ungeförderten Mietwohnungen und Eigentumswohnungen geht an der Realität der Leute vorbei. 50 Prozent der Menschen in Hamburg haben Anspruch auf eine geförderte Wohnung – gebaut werden soll ein Drittel, und selbst das erreicht der Senat nicht. Durchschnittlich war seit 2011 nur jede vierte neu gebaute Wohnung eine Sozialwohnung.

Steffen Jörg, 47, macht Stadtteilarbeit bei der GWA St.Pauli. Er gehört zur Vorbereitungsgruppe des Mieten-Moves, der am 4. Mai, 13 Uhr, auf dem Rathausmarkt startet.

Der Senat kann diesen Drittelmix ja nur bei eigenen Grundstücken durchsetzen oder wenn der Bebauungsplan geändert werden muss.

Bei Projekten über 30 Wohnungen macht der Senat das zur Auflage. Aber selbst da gibt es Beispiele, wo lapidar gesagt wurde: Das haben wir vergessen.

Die Mietpreisbremse wurde immerhin verschärft.

Das war von Anfang an ein stumpfes Schwert. Die Zahlen sprechen für sich: Wir hatten in den letzten zehn Jahren, in denen die SPD an der Regierung war, eine Mietsteigerung von 30 Prozent, bei Neuvermietung sogar 50 Prozent. In den letzten fünf Jahren sind laut dem Mietenspiegel zwei Drittel des Wohnungssegmentes von unter sechs Euro Miete pro Qua­dratmeter nettokalt weggefallen. Und die Hälfte der Wohnungen zwischen sechs Euro und 6,50 sind ebenfalls weggefallen.

Laut Senat kostet die Hälfte der Wohnungen nicht mehr als acht Euro nettokalt.

Das ist eine Aussage über den Bestand. Das Interessante ist die Entwicklung. Sie zeigt eindeutig, dass günstige Wohnungen abschmelzen und die Mieten massiv steigen. Die Mieten der Saga sind in den letzten zehn Jahren sogar überdurchschnittlich gestiegen. Das städtische Wohnungsunternehmen treibt diese Mietpreissteigerung also mit voran.

Die Durchschnittsmiete bei der Saga ist geringer als die einer neuen Sozialwohnung.

Auch da muss man die Entwicklung sehen. Die Saga tritt zunehmend als profitorientiertes Unternehmen auf, das die Mieten in die Höhe treibt.

10.000 neue Wohnungen im Jahr sind ja eine ganze Menge. Hat es überhaupt Sinn, hinter dem Markt her zu bauen?

Das Mantra „Bauen, bauen, bauen“ wird die Wohnungskrise nicht lösen, wenn man weiter an den Markt glaubt und überzeugt ist, dass Investoren diese Stadt bauen müssen. Es braucht den massiven Einstieg in einen kommunalen Wohnungsbau, in die Förderung gemeinnütziger Akteure wie der Genossenschaften, etwa durch die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit. Dann hätten wir eine Wohnraumversorgung, die nicht nach der Logik der Profitmaximierung, sondern nach Bedarfen in der Stadtgesellschaft funktioniert. Wir könnten auch über einen Mietendeckel reden.

Baut dann überhaupt noch einer, wenn die Baukosten so hoch sind wie heute?

Die großen Investmentfirmen bauen ohnehin nicht, die kaufen nur Bestand auf. Aber auch bei anderen großen Immobilienunternehmen, die auf Profitmaximierung aus sind, ist fraglich, ob sie bauen. Deshalb brauchen wir einen massiven Einstieg in kommunalen Wohnungsbau, der dann eben nicht zehn Prozent Rendite abwerfen muss. Und man muss über Enteignungen reden, mit denen man den Markt in die Schranken weisen könnte.

Dem hat Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) unter Verweis auf die vielen Wohnungen der Saga und der Genossenschaften gerade eine Absage erteilt.

Trotzdem ist das überlegenswert und Stapelfeldt muss man fragen, warum sie ein so schlagkräftiges Instrument wie die Saga nicht endlich nutzt, um eine soziale Wohnraumversorgung in Hamburg voranzutreiben. Es erschließt sich mir nicht, warum die Saga 160 bis 180 Millionen Euro im Jahr Gewinn machen muss, wenn sie doch eigentlich ein Instrument der Stadt ist, um einkommensschwache Teile der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.