Insolvenz bei Senvion: Windenergiepionier pleite

Der Windenergie-Anlagenbauer Senvion hat Insolvenz angemeldet. Damit steht auch das Bremerhavener Offshore-Terminal infrage.

Männer mit Schutzhelmen arbeiten an einer Windkraftanlage auf See

An sich gut im Geschäft: Offshore-Windkraftanlage von Senvion bei der Wartung Foto: dpa

HAMBURG taz | „Unsere Anlagen – Ihr zuverlässiges Investment“ heißt es auf der Internetseite des Windanlagen-Herstellers Senvion. Das sehen die Aktionäre anders. Seitdem am Dienstag Senvion Insolvenz angemeldet hat, stürzte die Aktie um zwei Drittel ab. Die Mitarbeiter – rund 1.000 in Schleswig-Holstein, 500 in Hamburg und 230 in Bremerhaven – bekommen die nächsten drei Monate lang ihren Lohn vom Arbeitsamt als „Insolvenzgeld“.

Denn ihre Firma braucht dringend neues Geld – von 100 Millionen Euro ist die Rede. Dabei stehen noch Aufträge über fünf Milliarden Euro in den Büchern. Dennoch gab es keine Einigung mit den Banken. Zwar hatte der Hedgefonds „Centerbridge“ in den vergangenen neun Monaten 62 Millionen Euro bereitgestellt, um Zeit zu kaufen, aber das reichte nicht.

Centerbridge hatte Senvion vor vier Jahren für 400 Millionen Euro günstig übernommen und 2016 an die Börse geführt. Derzeit hält Centerbridge noch 71 Prozent der Anteile. Größte Kreditgeber mit gut besicherten 950 Millionen Euro sind die Deutsche Bank und die BayernLB, die sich in den letzten Monaten offenbar gegen weitere Kreditzuflüsse gesperrt haben. Durch die Insolvenz sind die Kredite der bisherigen Gläubiger allerdings entwertet, das eröffnet vielleicht Chancen für einen neuen Käufer.

Aus in Husum schon vor Jahren

Schon vor zwei Jahren hatte Senvion sein Werk in Husum geschlossen, um die Produktion ins kostengünstigere Portugal zu verlagern. In Husum strich Senvion 150 Arbeitsplätze, deutschlandweit 700. Hintergrund der Krise ist auch die Reduzierung der „Einspeisevergütung“, mit der die Bundesregierung seit dem Jahre 2017 die Zuschüsse für die erneuerbaren Energien drosseln will und damit deren Ausbau bremst. So haben sich zu der Senvion-Pleite auch manche Politiker zu Wort gemeldet.

Der aus Bremerhaven stammende Bremer SPD-Wirtschaftssenator Martin Günthner sieht „eine gute Fortführungsperspektive für die Produktion in Bremerhaven“: Das dortige Werk verfüge „über ein gutes Produkt, eine gute Auftragslage und über qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.

Der Bremer Senat plant seit Langem, dem Bremerhavener Windenergie-Unternehmen mit einem staatlichen Offshore-Terminal direkt vor der Haustür zur Reduzierung der Logistik-Kosten zu helfen. Das scheiterte bisher aber daran, dass die Bremer Gerichte so eine Anlage nicht für rentabel halten und daher die Eingriffe in die Natur nicht für gerechtfertigt.

Auch der Bremer CDU-Landesvorsitzende Jörg Kastendiek (CDU) beschränkte sich darauf, die Tatsachen zu benennen: „Falls Senvion wirklich schließen muss“, erklärte er, dann hätte Bremerhaven in einem Zeitraum von rund zehn Jahren „alles an namhaften Windenergie-Unternehmen verloren.“

Nur die Linke hat bisher öffentlich die Konsequenz gezogen, die Pläne für das Offshore-Terminal für obsolet zu erklären. FDP und CDU räumen das immerhin indirekt ein, wenn sie ein allgemeines Schwerlast-Terminal an der Stelle fordern. Damit wären nach Ansicht der Grünen aber die Umwelteingriffe in keiner Weise zu rechtfertigen.

Branche in Bewegung

Senvion war 2001 bis 2007 von dem SPD-Umweltpolitiker Fritz Vahrenholt unter dem Namen Repower Systems aus mehreren norddeutschen Pionierfirmen geschmiedet worden. Heute ist die Branche wieder in Bewegung: Der Hamburg-Rostocker Nabenproduzent Nordex gehört inzwischen dem spanischen Baukonzern Acciona. Der Turbinenhersteller Enercon aus Aurich, Marktführer bei Onshore-Rädern, musste im vergangenen Jahr 800 Arbeitsplätze streichen – die Konkurrenz kommt da aus China.

Siemens-Gamesa mit Sitz in Bilbao, Weltmarktführer bei den Offshore-Anlagen, scheint noch unbeeindruckt von der Krise: Siemens feierte im vergangenen Sommer in Cuxhaven die erste Eröffnung einer neu gebauten Fabrik seit 20 Jahren. Der kürzlich angekündigte Abbau von 2.900 Arbeitsplätzen bezog sich auf andere Branchen.

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