Kinofilm „Ein Gauner & Gentleman“: Unerschütterliche Lässigkeit

Das Alter des Helden als eine Frage des Stils: „Ein Gauner & Gentleman“ ist der gloriose wahrscheinlich letzte Filmauftritt von Robert Redford.

Robert Redford und Darstellerin Sissy Spacek in einer Werkstatt

Allein die Liebesgeschichte zwischen Tucker und Jewel ist das Ticket wert Foto: DCM Filmdistribution

Robert Redford ist alt genug, um sich der Mehrheit der aktiven Filmegucker auf die eine oder andere Weise ins Gedächtnis gegraben zu haben. Sei es als das Sundance Kid zu Butch Cassidy natürlich, als Träger von beigen Cordanzügen in „Die Unbestechlichen“ oder als Meryl Streeps Haare waschender Hallodri in „Jenseits von Afrika“.

Stets waren es nicht nur die Rollen, die er spielte, die sich so nachhaltig einprägten, sondern die Aura von unirritierbarer Lässigkeit, die er dabei bewahrte. Man verbindet sie mit dem charmanten Lächeln unter dem vielen Blondhaar oder auch mit dem „Nasenstupser“, den er und sein von Paul Newman gespielter Kompagnon in „Der Clou“ als Zeichen austauschen.

Wenn spät in „Ein Gauner & Gentleman“ der von Casey Affleck gespielte Polizist sich von dem ans Bett gefesselten, von Redford verkörperten Bankräuber mit ebenjener Geste verabschiedet und sich mit dem rechten Zeigefinger diskret an die Nase tippt – dann ist das der vielleicht berührendste Moment des ganzen Films.

Was natürlich auch damit zu tun hat, dass Redford angekündigt hat, dass dies sein letzter Auftritt als Schauspieler sei. Und es wäre sehr viel leichter, daran nicht zu glauben, wenn Regisseur David Lowery („A Ghost Story“) aus der „wahren“ Geschichte des Senioren-Bankräubers Forrest Tucker mit „Ein Gauner & Gentleman“ nicht einen Film gemacht hätte, der tatsächlich als Requiem auf die „Leinwandpersona“ von Robert Redford daherkommt.

Bewusst keine „Action“

Das beginnt mit der Einblendung zum Auftakt: „This story, also, is mostly true“ – was sich auf die Erklärung am Anfang von „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ bezieht: „Most of what follows is true.“ Das nimmt seinen Fortlauf mit den Bildern von Redford, die Casey Afflecks Polizist auf seiner Spurensuche sammelt, auf denen man weniger die Figur als vielmehr den Schauspieler vom Jugendlichen zum reifen Mann altern sieht.

Und es endet längst nicht mit den direkten Zitaten aus Redfords Filmografie. Etwa wenn eine Szene aus „Ein Mann wird gejagt“ von 1966 als Illustration eines der vielen Ausbrüche von Forrest Tucker herhalten muss. Oder wenn Tucker zuletzt sogar auf ein Pferd steigt, um seinen Verfolgern zu entfliehen.

Die wahre Spannung zieht Regisseur David Lowery sowieso aus der lässigen Eleganz seiner Hauptfigur

Robert Redford hat solche Typen wie Tucker unzählige Male gespielt: der Verbrecher als Individualist, der Gesetzlose als Rebell gegen die Konvention, der Außenseiter als Lebemann und Genießer. So lässig und stimmig wirkt Lowerys Film dabei, dass man am Ende davon überzeugt ist, dass die wahre Geschichte sich wohl umgekehrt verhält: Nicht Redford spielt hier den Berufskriminellen Tucker nach, sondern Tucker hat offenbar sein Leben lang Robert Redfords Kinohelden imitiert.

„Ein Gauner & Gentleman“ ist dabei nicht nur ein Film mit einem alternden Helden im Zentrum, sondern einer, der aus dem Alter seines Helden einen Stil macht. Ob bei den Vorbereitungen zum nächsten Coup oder der Flucht unmittelbar danach, stets geht es gemächlich zu. Alles, was als „Action“ im herkömmlichen Sinn verstanden werden könnte, lässt Lowery bewusst aus.

Pure Kinomagie

Als einmal etwas schiefgeht und Tuckers Mitverschwörer Teddy (Danny Glover) angeschossen wird, nimmt die Kamera nur das Danach in den Blick; einerseits am Tatort die Spurensicherung durch die Polizei, andererseits im Motel das Ächzen der alten Männer bei der Wundpflege. Verfolgungsjagden beobachtet man stets aus der Perspektive des zufälligen Passanten, wobei Letzteres zugleich die erfolgreiche Verkleidung für den flüchtigen Tucker darstellt.

Die wahre Spannung zieht Regisseur Lowery sowieso aus der lässigen Eleganz seines Helden, den man sich als glücklichen Bankräuber und Menschen vorstellen muss. Nicht nur, dass er seine Taten stets mit einem freundlichen Lächeln einleitet, er muntert auch regelmäßig die Bankangestellten auf, die ihm ängstlich die Scheine einpacken, weil er ihnen seine Waffe gezeigt hat. Ob er je wirklich schießen würde?

„Ein Gauner & Gentleman“. Regie: David Lowery. Mit Robert Redford, Sissy Spacek u. a. USA 2018, 94 Min.

Noch die Bemühungen der Polizei auf seinen Fersen verfolgt er mit Sympathie. Was im Fall von Afflecks John Hunt (wie Forrest Tucker der wahre Name einer historischen Figur) auch nicht schwer ist, tritt der Polizist doch stets vorbildlich bescheiden auf. Ob er die „pistolenbepackten Opas“ denn fassen könnte, wird er in einem Fernsehinterview gefragt. Nun, die Alten hätten einige Jahre mehr Erfahrung im Bankraub als er beim Verbrecherjagen, aber er würde sich Mühe geben, lautet seine Antwort.

Für Tuckers Interaktion mit seinen Mitverschwörern Teddy (Danny Glover) und Waller (Tom Waits) nimmt sich der Film leider nur wenig Zeit. Dafür fängt er in den Szenen mit Jewel (Sissy Spacek), Tuckers „love interest“, pure Kinomagie ein. Wie diese beiden „Alten“ hier einander zuerst abschätzen, dann zu flirten beginnen und schließlich über Lügen hinweg zu einer im wahrsten Sinne des Wortes erotischen Vertrautheit finden, das allein ist das Ticket wert. Oder auch die Unterschrift unter eine Petition, die erwirken könnte, dass Redford weiter Filme macht.

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