Bahn-Bündnis kritisiert teure Projekte: Prestige ist alles für die Bahn

Das Bündnis „Bahn für Alle“ mobilisiert gegen die geplante Hochgeschwindigkeitstrasse Bielefeld–Hannover. Das Geld fehle dann woanders.

Detail eines Zuges der Deutschen Bahn

Schneller von Berlin nach Köln – aber die Anschlüsse sind gefährdet Foto: reuters

BERLIN taz | Das Bündnis „Bahn für Alle“ kritisiert die Pläne der Deutschen Bahn für den Ausbau der Strecke Hannover–Bielefeld zu einer Hochgeschwindigkeitsstrecke. Die vorgesehene Geschwindigkeit sei zu ehrgeizig, das Projekt werde zu Problemen im Fahrplan führen, sagte der Informatikprofessor Wolfgang Hesse am Mittwoch in Berlin.

„Prestigeprojekte genießen bei der Bahn leider immer noch eine zu große Aufmerksamkeit“, sagte Hesse, der über Anschlussoptimierung in öffentlichen Verkehrsnetzen forscht. Die Deutsche Bahn hatte in der vergangenen Woche Pläne für eine Schnellstrecke bekanntgegeben, mit der die Fahrzeit zwischen Berlin und Köln um 40 Minuten auf vier Stunden verkürzt werden soll. Dafür soll eine neue ICE-Trasse zwischen Hannover und Bielefeld gebaut werden, auf der Züge bis zu 300 Kilometer in der Stunde fahren sollen.

„Ich möchte vor solchen superehrgeizigen Plänen warnen“, so Hesse. Die Höchstgeschwindigkeit sei auf dieser Strecke kaum zu erreichen. „Der Fahrplan ist knapp auf Kante genäht“, sagte er. Damit sei von vornherein programmiert, dass Fahrgäste Anschlüsse nicht bekommen könnten. Das Geld werde an anderer Stelle fehlen, etwa für den Ausbau von Verkehrsknotenpunkten und bessere Angebote in der Fläche. „Viele kleine Projekte bleiben dafür liegen“, sagte Hesse.

Die Bahn wollte dazu keine Stellung nehmen, das Bundesverkehrsministerium antwortete auf eine Anfrage der taz Bündnis kritisiert teure Projektenicht.

Stuttgart 21 ist unwirtschaftlicher denn je

Zu den Prestigeprojekten, die das Bündnis scharf kritisiert, gehört der Tiefbahnhof Stuttgart 21. „Alle wissen, dass Stuttgart 21 unwirtschaftlicher denn je ist“, sagte der Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, mit Blick auf die Kostenexplosion in Milliardenhöhe. Die Risiken würden weiter steigen. So gebe es einen partiellen Baustopp, weil Wasser in Tunnel für den Tiefbahnhof eindringe. Außerdem träten Risse in Häusern auf, Brunnen trockneten aus.

Trotzdem werde die Entscheidung nicht korrigiert. „Sinnvoll ist ein Bau- und Vergabestopp, um eine Neuausrichtung auszuloten“, sagte von Loeper. Die GegnerInnen des Projekts haben ein alternatives Konzept für den Bahnhof veröffentlicht, das die bisherige Bautätigkeit berücksichtigt.

Bündnis legt „Alternativen Bericht“ vor

Einen Tag vor der Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2018 der Deutschen Bahn am Donnerstag hat das Bündnis einen „Alternativen Bericht“ vorgelegt. Darin wird unter anderem der Verfall der Bahnhofskultur thematisiert. Rund die Hälfte der Bahnhofsgebäude wurden seit Ende der 1990er Jahre verkauft. „Gut 95 Prozent der Bahnhöfe sind inzwischen völlig ohne Personal“, heißt es in dem Bericht. Der überwiegende Teil der Bahnhöfe sei als „,Visitenkarte' hochnotpeinlich“.

Bei der Aufsichtsratssitzung der Bahn im Vorfeld der Veröffentlichung des Geschäftsberichts standen die Finanzierungslücken des Konzerns auf der Tagesordnung. Um die zu schließen, wird über den Verkauf der Auslandstochter Arriva diskutiert. Arriva betreibt Fernbusse und andere Nahverkehrsdienste in vielen europäischen Ländern.

Ein Verkauf sei bedauerlich, sagte Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die zum Bündnis gehört. Immerhin bringe Arriva der Bahn Gewinne. Die GDL stelle sich aber mit Blick auf die hohen Schulden der Bahn nicht gegen einen Verkauf.

Der jetzt anvisierte Verkauf von Arriva sei eine Art „Notschlachtung“, sagte Winfried Wolf, Mitverfasser des Alternativen Geschäftsberichts. Er fordert: „Die Bahn sollte alle Töchter im Ausland verkaufen, die nicht das Kerngeschäft ergänzen.“

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