Streit um Grenzwerte für Luftschadstoffe: EU spottet über Scheuers Experten

Der Verkehrsminister hatte mit Verweis auf Lungenärzte schwächere Grenzwerte gefordert. Die Kommission denkt eher über eine Verschärfung nach.

Andreas Scheuer

Ist mit seiner Begeisterung für den Pneumologen Dieter Köhler inzwischen ziemlich allein: CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer Foto: dpa

BERLIN taz/dpa | Die Europäische Kommission hat die Forderung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zurückgewiesen, die geltenden Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub anzuheben. „Der überwiegende Teil der im letzten Jahrzehnt gesammelten, fachlich überprüften wissenschaftlichen Erkenntnisse weist immer wieder auf negative Erkenntnisse hin, selbst bei Konzentrationen von Stickstoffdioxid und Partikel, die unter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganistaion aus dem Jahr 2005 liegen“, heißt es in einem Schreiben an Scheuer, das der taz vorliegt. Unterzeichnet wurde es von Umwelt-Kommissar Karmenu Vella, Verkehrskommissarin Violeta Bulc und Binnenmarkt-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska. Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet.

Scheuer hatte sich Ende Januar hinter die von Dieter Köhler und 107 weiteren deutschen Lungenärzten geäußerte Kritik an den Grenzwerten gestellt und von der EU-Kommission in einem Brief gefordert, dass sich diese „mit den vorgebrachten Zweifeln auseinandersetzt und eine Neubewertung der Grenzwerte prüft“. Nachdem diese Stellungnahme in der Fachwelt auf breiten Widerspruch gestoßen war und die taz über diverse Rechenfehler berichtet hatte, reagieren nun auch die EU-Kommissare eher spöttisch auf Scheuers Experten.

„Diesbezüglich möchten wir Ihnen zwar dafür danken, dass Sie uns als Anlage zu Ihrem Schreiben eine Darstellung der Kritkpunkte mehrerer Mediziner in Deutschland zugeschickt haben“, schreiben die KommissarInnen. „Wir haben jedoch auch zur Kenntnis genommen, dass wichtige Berechnungen im Zusammenhang mit diesen Behauptungen in der Zwischenzeit als fehlerhaft erkannt worden sind.“ Zudem wird im Schreiben mehrfach auf „wissenschaftlich fundierte und geprüfte (peer reviewed) Anlalysen“ verwiesen, was ebenfalls als Spitze gegen Köhler verstanden werden kann, weil dieser seine Kritik nie in wissenschaftlichen Magazinen veröffentlicht hat.

Statt über die von Scheuer geforderte Aufweichung der Grenzwerte denkt die EU eher über eine Verschärfung nach, deuten die KommissarInnen an. Derzeit werde „überprüft, ob die derzeitigen EU-Grenzwerte ausreichend streng sind, um die Gesundheits- und Umweltziele unserer Politik zu erreichen“, schreiben Vella, Bulc und Bieńkowska.

Scheuer sagte der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch, er werde nicht nachlassen, die Debatte um die Grenzwerte auf europäischer Ebene zu führen. „Denn wenn es zu Einschränkungen für Europäerinnen und Europäer im Alltag kommt, sollte die Europäische Kommission die Anliegen eines Mitgliedstaates ernst nehmen“, forderte er und verwies auf zwei Milliarden Euro, die der Bund in die Verbesserung der Luftqualität in Städten investiere.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Cem Özdemir (Grüne), schrieb auf Twitter, es sei ihm „einfach nur noch peinlich“, dass ein Bundesminister von mehreren EU-Kommissaren auf grundlegende Rechenfehler hingewiesen werden müsse. „Wer schützt Andreas Scheuer demnächst davor, vorschnell Briefe an Leute zu verschicken, die es besser wissen?“

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