Hinweise auf mögliche Kriegsverbrecher: Innenministerium in der Kritik

Seit 2014 gaben Asylsuchende tausende Hinweise auf mögliche Kriegsverbrecher. Doch nur wenige Ermittlungen folgten. Das sorgt für Kritik.

Nächtliche Aufnahme in Bayern, Wegscheid: Flüchtlinge gehen hinter der deutsch-österreichischen Grenze zu einer Notunterkunft.

Als im Jahr 2015 besonders viele Asylsuchende kamen, gab es auch besonders viele Hinweise Foto: dpa

BERLIN taz | Rund 5.000 Hinweise auf mögliche KriegsverbrecherInnen hat das Bundeskriminalamt (BKA) seit 2014 von Asylsuchenden erhalten. So steht es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage der FDP-Abgeordneten Linda Teuteberg, die der taz vorliegt. Die meisten Hinweise beziehen sich jedoch auf Folterer, Terroristen, Milizionäre und Funktionäre, die sich noch im Herkunftsland aufhalten – und nicht, wie die Bild-Zeitung ursprünglich falsch berichtete, auf Asylsuchende in Deutschland. Es gibt aber auch einige Fälle, in denen Geflüchtete ihre früheren Peiniger in Deutschland wiedererkannt haben.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte die entsprechenden Hinweise auf „Straftaten nach dem Völkerrecht“ an das Bundeskriminalamt und den Generalbundesanwalt geschickt. Andere Stellen hatten mindestens 210 weitere Hinweise weitergeleitet. In 129 Fällen seien Ermittlungen zu insgesamt 142 konkreten Verdachtsfällen aufgenommen worden. Besonders viele Hinweise, nämlich 3.810, gab es in den Jahren 2015 und 2016 – jedoch nur 28 Ermittlungsverfahren, bei 38 Beschuldigten. Im Jahr 2018 waren es 49 Verfahren gegen 50 Beschuldigte; 2019 bisher zwei Ermittlungsverfahren gegen zwei Beschuldigte.

Das Innenministerium erklärte, dass derlei „Hinweise“ nicht „unmittelbar für ein Strafverfahren verwendbare Informationen“ enthielten, sondern es sich dabei oft um Informationen zum Kriegsgeschehen der jeweiligen Länder handeln könne oder tatverdächtige Personen, die nicht identifizierbar seien. Bezogen auf die hohen Zahlen der Jahre 2015 und 2016 hieß es: „Ressourcen der Ermittlungsbehörden auf Ermittlungen zu einem unklaren Tatvorwurf gegen eine nicht namentlich bekannte Person, die sich nicht in Deutschland aufhält, zu verwenden, wäre nicht sinnvoll.“

Hinweise seien nicht ignoriert worden

Die FDP-Innenexpertin Linda Teuteberg stellte in Frage, ob die Bundesregierung „immer mit der gebotenen Ernsthaftigkeit“ allen Hinweisen „angemessen nachgegangen“ sei – gerade mit Blick auf die Jahre 2015 und 2016, als auf einhundert Hinweise nur ein Ermittlungsverfahren folgte. Sie forderte, dass das Innenministerium „noch einmal genau nachprüfen und die Ermittlungsbehörden nach Kräften unterstützen“ müsse, „damit kein Täter seiner gerechten Strafe entkommt“. Teuteberg betonte: „Kriegsverbrecher dürfen in Deutschland keinen Schutz bekommen. Das sind wir auch den Opfern schuldig.“

Das Ministerium erklärte, die Hinweise seien nicht ignoriert, sondern „selbstverständlich gesichtet und kategorisiert“ worden. „Sie wurden und werden auch in Zukunft für die laufenden Ermittlungen herangezogen. Verbrechen des Völkerstrafgesetzbuches unterliegen keinen Verjährungsfristen.“ Man habe „zum konkreten Umgang mit diesen,Hinweisen' einen Bericht angefordert, der in den kommenden Tagen erstellt wird“.

Aus der Antwort der Regierung geht außerdem hervor, dass unter den Beschuldigten zwölf Deutsche sind, jedoch keine Doppelstaatler. Weitere Beschuldigte kamen unter anderen aus Syrien, Afghanistan, Gambia und dem Irak.

Mitte Februar hatten zwei Fälle für Aufsehen gesorgt: Zwei mutmaßliche Ex-Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wurden in Berlin und Rheinland-Pfalz festgenommen. Ihnen werden in Syrien begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. In den Jahren 2011 und 2012 sollen sie in Syrien an tausenden Folterungen und Misshandlungen beteiligt gewesen sein oder dabei Hilfe geleistet haben. Auch bei zwei Tötungen hätten sie Unterstützung geleistet. Es könnte der erste Prozess gegen zwei syrische Folterer in Deutschland werden. (mit dpa)

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