Kolumne Aufgeschreckte Couch­potatoes: Kulinarisches Entertainment

Immer mehr Restaurants in Deutschland können sich mit Sternen des „Guide Michelin“ schmücken. Selbst Brandenburg zieht mit.

Menschen fotografieren Köche

Auszeichnung der Köche des Guide Michelin in Berlin Foto: dpa

Immer mehr Restaurants in Deutschland können sich mit Sternen des „Guide Michelin“ schmücken: Deutschlandweit wurden 309 Gourmetrestaurants im Jahr 2019 ausgezeichnet. Dabei gibt es besonders viele Häuser mit einem Stern. Zehn Restaurants bekamen drei Sterne. Ein Stern bedeutet nach Auffassung der Autoren: „Eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert.“ Zwei Sterne: „Eine Spitzenküche – einen Umweg wert.“ Drei Sterne: „Eine einzigartige Küche – eine Reise wert.“

Auch in Deutschland versteht man sich inzwischen auf kulinarisches Entertainment: Es werde besser frischer, lokaler, raffinierter gekocht, sagt Ralf Flinkenflügel der Direktor des Guide Michelin für Deutschland. Für Berlin gab es keine drei Sterne. Ihre zwei Sterne bewahrt haben sich folgende Berliner Restaurants: Facil“ Horváth, Lorenz Adlon Esszimmer, Rutz und Tim Raue.

Neu in der Spitzengastronomie mit einem Stern ist jetzt das Neuköllner Patisserierestaurant Coda Dessert Dining von René Frank. Außerdem: das mit nur zwölf Plätzen ausgestattete Ernst im Wedding, das Savu am Kurfürstendamm, das skandinavische Küche mit Einflüssen aus Spanien und Italien verbindet, sowie das thailändische Restaurant Kin Dee.

Auch drei Brandenburger Küchenchefs haben sich einen sternewürdigen Ruf erkocht. 2019 können sich das kochZIMMER und das Friedrich Wilhelm in Potsdam sowie das 17fuffzig im Spa-Hotel Bleiche in Burg (Spreewald) mit jeweils einem Michelin-Stern schmücken.

Hier geht es ums satt werden

Vorbei also die Zeiten, als Brandenburg Notstandsgebiet für Gourmets war? Mitnichten. Potsdam und die Bleiche sind Ausnahmen in der kulinarischen Wüste, es sind die zivilisierten, touristischen Hotspots. Und der Michelin-Stern hilft, ein Publikum anzulocken, das etwa die neue preußische Küche im KochZIMMER in Potsdam zu schätzen weiß: Armer Ritter mit confierter Karotte, Bitterorange, Macadamia, Vogelmiere. Kabeljau gebraten mit Blattspinat, Pinienkerne, Holunderbeeren, Rotweinbutter. Challans Entenbrust mit Gewürzjus, Reiscreme, Senfkohl, anatolische Datteln.

Doch echte Brandenburger verirren sich nur selten ins „Kochzimmer“, weiß die Brandenburg-Korrespondentin des Deutschlandfunks, Vanja Budde. Sie ist 1.000 Kilometer kreuz und quer durch das Bundesland gefahren auf der Suche nach den Perlen der Gastronomie. Sie fand unter anderem Frank Schreibers Goldenen Hahn im etwas abgelegenen Finsterwalde oder den Capriolenhof in der Uckermark mit eigener Ziegenkäseherstellung.

„Nimm dir Essen mit, wir fahrn nach Brandenburg“, sang der Kabarettist Rainald Grebe 2005. Das gilt großflächig immer noch. Trotz Sternerestaurants, unendlichen Kochshows im Fernsehen und Millionen von Rezepten im Internet – in Brandenburg geht es ums ­Satt­werden. Also bleiben Sie dort, wo es bodenständig zugeht, bei Matjes mit Bratkartoffeln, und verzichten Sie unbedingt auf die Salatbeilage!

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Schwerpunkte: Reise und Interkulturelles. Alttazzlerin mit Gang durch die Institutionen als Nachrichtenredakteurin, Korrespondentin und Seitenverantwortliche. Politologin und Germanistin mit immer noch großer Lust am Reisen.

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