Martenstein-Kolumne über Abtreibung: Meinen ist nicht behaupten

Im „Zeit Magazin“ schreibt Harald Martenstein über eine Forderung nach „postnataler Abtreibung“. Der Text ist äußerst zweifelhaft.

Harald Martenstein lacht

Behaupten sollte auch der Berufsprovokateur nur faktisch Richtiges Foto: imago

BERLIN taz | Und täglich grüßt der Martenstein. Zu jedem konfliktreichen Thema hat der Tagesspiegel- und Zeit-Magazin-Kolumnist Harald Martenstein qua Beruf etwas zu sagen. Im Zeit Magazin vom 28. Februar schreibt der Autor über späte Schwangerschaftsabbrüche.

Skandalös sei die Forderung nach postnataler Abtreibung, es handle sich um „Mord“. Nur: Wer will das eigentlich? Martenstein meint: Die Jusos forderten Abtreibung bis zum neunten Monat. Die US-Demokraten noch während der Wehen und zwei Forscher*innen sogar die nachgeburtliche Tötung, wenn das Wohlergehen der Familie in Gefahr sei. Bloß verifiziert worden sind diese Behauptungen anscheinend nicht.

Die Rubrik „Faktenfinder“ der „Tagesschau“ stellte am Dienstag jedenfalls klar: Weder Jungsozialisten noch US-Demokrat*innen fordern ein Recht auf „postnatale Abtreibung“, auch wenn man über gelockerte Abbruchgesetze debattiere. Und der von Martenstein aufgestöberte Aufsatz im Journal of Medical Ethics zur „Abtreibung nach der Geburt“? Alte Geschichte. Die Autor*innen hatten schon 2012 in einem offenen Brief klargestellt, dass sie nicht für die Legalisierung von Kinds­tötung plädieren, stattdessen gehe es um einen bioethischen Diskurs.

Drei zweifelhafte Angaben in gut 500 Wörtern eines Texts, den Martenstein auch am Montag in einem Update noch verteidigte. Auch für Kolumnen und Meinungsbeiträge gilt die journalistische Sorgfaltspflicht. Meinen kann Martenstein alles, was seinen Kritiker*innen die Nerven raubt. Behaupten sollte auch der Berufsprovokateur nur faktisch Richtiges.

Redaktionsrichtlinien gelten auch für Kolumnen

Der Chefredakteur des Zeit Magazins, Christoph Amend, reagierte auf Anfrage der taz: „Grundsätzlich gilt: Wenn Fehler gemacht worden sind, egal von wem, gehören sie transparent gemacht und korrigiert.“ Eine Verlagssprecherin ergänzt: „Wir prüfen derzeit die zur Diskussion stehenden sachlichen Fragen und werden nach Abschluss der Prüfung die Ergebnisse kommunizieren.“

Auch in den Redaktionsrichtlinien der Zeit, die den Arbeitsverträgen der Redakteur*innen beiliegen, heißt es: „Wir bestehen auf der Genauigkeit der Fakten und Gedanken.“ Jeder Blogeintrag und jede Smartphone-Mitteilung werde gewissenhaft geprüft. Von einer Ausnahme für Kolumnisten steht dort nichts.

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