Indigo und Rittersporn fürs Shirt: Neue Kollektion mit Plus und Minus

Hess-Natur will eine ökologische Alternative zu synthetischen Farben und färbt mit Pflanzen. Was spricht dafür, was dagegen?

Gärtner mit großem Bündel Blumen über der Schulter in bunt gestreiftem Rittersporn-Feld

Leuchtend, wunderschön, giftig, wenn man ihn isst, aber hervorragend zum Färben: Rittersporn Foto: dpa

BERLIN taz | Rittersporn, Färberkrapp und Cudbearflechte: Für seine Frühjahrs- und Sommerkollektion nutzt das ökologische Textilunternehmen Hess-Natur hierzulande längst vergessene Pflanzen. Ab April werden ein Cardigan und ein Pullover im Handel sein, die nur mit diesen Pflanzen gefärbt sind. Ein Jersey-Shirt in Naturfarben ist schon jetzt erhältlich.

Hess-Natur möchte damit sein Mode-Angebot nachhaltiger gestalten. Vor zwei Jahren hatte der Öko-Kleidungshersteller mit der Zeitschrift Öko-Test über die Gefährlichkeit von Azofarbstoffen in Kinderjeans gestritten. „Pflanzenfarben stehen für eine sinnliche, natürliche Farbgebung, sind frei von belastenden Chemikalien und biologisch abbaubar“ – so kündigt die Firma die Kollektion für die Presse an. Hier wird die Indigopflanze zur Himmelblau, Rittersporn zu Oregano, die Cudbearflechte zu Lila und Färberkrapp zu Puder.

Nicht jedes Gewächs ist zum Färben von Textilien geeignet. Schon die Ägypter verwendeten Färberdisteln für ihre Mumienbinden. Auch die Griechen und Römer nutzten etwa die Pflanze Krapp für Rot und Färberwaid für Blau. Mit der industriellen Textilproduktion ab dem 19. Jahrhundert verloren die Pflanzenfarben aber ihre Bedeutung.

Für die massenhafte Produktion homogener Waren nach festgelegten Standards seien sie nur bedingt geeignet, räumt der Textilhersteller selbst auf seiner Webseite ein. „Tatsächlich kommt es mit Pflanzenfarben oft zu Problemen bezüglich Farbechtheit, Leuchtkraft und UV-Beständigkeit“, sagt Hess-Natur-Sprecherin Lisa Wagner.

Die neue Kollektion ist ein Versuch, diese Herausforderungen zu meistern. „Bei entsprechender Pflege und keiner zu aggressiven Sonneneinwirkung sollten die Farben ihre Echtheit behalten.“ In der restlichen Kollektion setzt auch Hess-Natur auf synthetische Farben.

Chemische Farben könnten Krebs auslösen

Für Umwelt, Verbraucher*innen und Arbeiter*innen, die täglich mit den Chemikalien hantieren, hat der synthetische Färbeprozess oft desaströse Folgen. Laut Greenpeace benötigen Waschen, Bleichen, Färben und Bedrucken in der Textilherstellung am meisten Wasser und Chemikalien.

Azofarbstoffe etwa, die unter anderem Jeans blau färben, sind laut Bundesinstitut für Risikobewertung verdächtig, bei Hautkontakt Krebs zu verursachen. In Europa dürfen deshalb nicht mehr als 30 Milligramm pro Kilo Kleidung verwendet werden. Auch Dispersionsfarbe, die vor allem bei Polyester eingesetzt wird, kann etwa Allergien auslösen.

Daneben begleiten auch andere schädliche Substanzen wie Weichmacher und Lösungsmittel den Färbeprozess. Diese Stoffe müssen die Hersteller laut der Europäischen Textilkennzeichenverordnung gar nicht angeben. So erfahren die Verbraucher*innen auch nicht, welche Chemikalien in den Fasern zurückbleiben können. Diese Aufgabe übernehmen zum Teil Textilsiegel – die aber von vielen Verbraucher*innen als zu unübersichtlich wahr genommen werden.

Kleidung mit Pflanzen zu färben, scheint für einen Öko-Hersteller also eine gute Idee zu sein. Neben dem Problem Farbechtheit gibt es bei der Umsetzung aber noch ein weiteres Hindernis: Nur wenige Produzent*innen bauen die benötigten Gewächse heute noch an und verarbeiten sie zu Farbe in Pulverform oder als flüssiges Konzentrat weiter. In Spanien hat Hessnatur nun einen Partner dafür gefunden.

Die pflanzenbasierte Färbung hat allerdings ihren Preis. Die Jersey-Shirts kosten im Online-Shop 39,99 oder 49,99 Euro, der Cardigan 129,99 Euro. Andere Shirts in synthetischen Farben gibt es schon ab 24,95 Euro.

„Das Färbeverfahren ist anspruchsvoller“, sagt IIka Munder von Hessnatur. „Und auch die verwendeten Naturmaterialien zu prüfen ist aufwendiger.“ Es müsse sich erst zeigen, ob die Kund*innen bereit sind, für eine auch noch begrenzte Farbpalette mehr zu bezahlen.

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