Berliner Wohnungsmarkt: Neue Spieler beim Wohnopoly

Das Berliner Start-up Wunderflats ist eine Art Airbnb deluxe. Mit einem Trick umgeht das Unternehmen Mietpreisbremse und Zweckentfremdungsverbot.

Seit Jahren demonstrieren Berliner*innen gegen steigende Mieten Foto: dpa

Auf den ersten Blick könnte man meinen, sich auf eine Airbnb-Seite verirrt zu haben. Die serifenlose Schrift, die Suchmaschine, und sogar das Logo mit der nach oben zeigenden Spitze gleichen der bekannten Online-Plattform. Doch „Wunderflats“ ist ein junges Berliner Unternehmen, das wie Airbnb Wohnungen auf Zeit anbietet – nur monate- statt tageweise. Design-Ähnlichkeiten mit Airbnb seien nicht angestrebt, heißt es auf Nachfrage.

40.313 Wohnungen sind auf dem Portal deutschlandweit online, 56 Millionen Euro Miete haben sie schon eingebracht. Damit wirbt das Unternehmen stolz auf seiner Webseite. Dort werden vor allem möblierte Ein- bis Dreizimmerwohnungen angeboten, die in Berlin zwischen 1.500 und 3.500 Euro monatlich kosten sollen.

Wer sich das leisten kann? Die Kunden von Wunderflats sind Mitarbeiter von Unternehmen wie Google, Microsoft und Zalando, aber auch dem Axel Springer Verlag oder etwa der Santander Bank. Die Wohnungen sind, wie bei Airbnb, zur Zwischenmiete gedacht, aber im Unterschied zum US-amerikanischen Unternehmen richtet sich das Angebot nicht an Touristen, sondern an die Jetsetter der Tech-Welt, die mal in München, mal in Berlin für ein paar Monate unterkommen müssen.

Wer seine Wohnung zu solchen Preisen vermieten möchte, bekommt eine Rundumbetreuung. „Wohnung zu vermieten? Kostenlose Preisberatung“: Bei einem Klick auf die Facebook-Werbung kommt man direkt ins Gespräch mit einem Chatbot, der Smilies verschickt und die Größe und Lage der Wohnung abfragt. Wie viel diese wert ist – oder sein könnte –, wird im persönlichen Gespräch per Telefon besprochen. Für eine testweise angebotene Kreuzberger Zweizimmerwohnung, die aktuell 800 Euro warm kostet, wird mindestens der doppelte Preis empfohlen: Man bekomme „Anfragen für ähnliche Objekte zum Preis von 1.600 bis 2.200 Euro“.

Ganz legal

Das geht ganz legal, weil möblierte Wohnungen nicht an den Mietspiegel gebunden sind. Die Mietpreisbremse wird damit umgangen. Gleichzeitig entgeht das Konzept von Wunderflats auch den Problemen der Zweckentfremdung, mit denen die an Touristen gerichtete Plattform AirBnB sich zurzeit herumschlägt: Alles, was länger als einen Monat am Stück vermietet wird, gilt in Berlin nicht mehr als zweckentfremdet. Zum Vergleich: In München müssen es mindestens sechs Monate sein.

Ansonsten ist das Konzept ähnlich wie bei dem US-Unternehmen: Wunderflats vermittelt als Plattform zwischen Mietern und Vermietern und nimmt laut eigenen Angaben 11,9 Prozent (inklusive Mehrwertsteuer) der Gesamtmieten ein. Der größte Unterschied: Mit seinem spezifisch an Pendler gerichteten Angebot hat Wunderflats genau die Gesetzeslücke gefunden, bei der Mietsteigerung relativ unbegrenzt möglich ist. Weder die Einschränkungen der Mietpreisbremse für Langzeitvermietung betreffen das Unternehmen noch die Einschränkungen der Zweckentfremdung für Vermietung auf Zeit.

Gegründet wurde Wunderflats 2015 von Jan Hase und Arkadi Jampolski, damals beide erst Anfang zwanzig. Jampolski, heute 26 Jahre alt, ist mindestens seit 2017 als Lobbyist aktiv. Er setzt sich mit dem Thema Zweckentfremdung auseinander und führt Gespräche mit politischen Gremien, um Einfluss auf Entscheider zu nehmen.

2019 will Wunder­flats sein Team von derzeit 85 Mitarbeitern auf 180 vergrößern

Auch Mitgründer Jan Hase engagiert sich seit Kurzem in der Politik. 2018 wurde er Mitglied des Deutschen Wirtschaftsrats der CDU e. V., der die Inter­essen der unternehmerischen Wirtschaft „gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit“ vertritt.

Im Start-up-Magazin Berlinvalley gibt Wunderflats an, im Jahr 2019 weiterwachsen zu wollen: Das aktuelle Team aus 85 Mitarbeitern soll auf 180 erhöht werden. Ein nicht unrealistischer Plan: Im Jahr 2017 erhielt das Unternehmen 3 Mil­lionen Euro, und konnte seitdem seine Onlinepräsenz verstärken. Zu den Investoren zählen unter anderem die privaten Beteiligungsgesellschaften Creathor Venture und Econa AG, aber auch der VC Fonds Kreativwirtschaft der IBB Beteiligungsgesellschaft, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der landeseigenen Berliner Investitionsbank und des Landes Berlin.

Im Interview mit PDReporter erklärt Hase, warum das Konzept Wunderflats funktioniert: „Die Leute werden egoistischer. Aber auf eine gute Art und Weise.“

Auf die Wohnungsnot und Mietenexplosion in Berlin angesprochen, versichert Hase gegenüber der taz: „Ich bin selbst Berliner, wohne in Kreuzberg, und das Letzte, was ich möchte, ist, zu steigenden Wohnungspreisen bezutragen.“ Wunderflats leiste „einen Beitrag zur Entlastung des unbefristeten Wohnmarktes“.

Für Wohnen auf Zeit gebe es Bedarf: Versetzte Geschäftsleute, Monteure auf Baustellen. Wunderflats sei eine „von der Stadt gewünschte Alternative zu Airbnb“, sagt Hase gegenüber der taz. Ob Handwerker sich die 1.500 bis 3.000 Euro Miete überhaupt leisten können, scheint das Unternehmen zu bejahen. So heißt es auf der Webseite: „Wir wollen, dass jeder dort zu Hause sein kann, wo er möchte, wann er möchte.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.