Kommentar Spaniens Separatismus: Verlierer ist die Demokratie

In Madrid beginnt der Prozess gegen die katalanischen Separatisten. Damit ist der Unabhängigkeitsbewegung aber nicht beizukommen.

In Barcelona verfolgt ein Polizist einen katalanischen Demonstranten

Es sind politische Antworten gefragt: Ein Polizist im Einsatz gegen einen Unabhänigkeits-Befürworter (Archivbild) Foto: reuters

Nein, auch wenn sich die spanische Politik und fast alle Medien noch so bemühen dies Glauben zu machen: Es ist kein normales Verfahren, das da vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid beginnt.

Dort stehen zwölf Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien vor Gericht. Unter ihnen ein Großteil der ehemaligen katalanischen Regierung sowie die Parlamentspräsidentin. Ihnen wird in Zusammenhang mit dem von Madrid untersagten Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 „Rebellion“, „Aufstand“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ vorgeworfen. Bis zu 25 Jahre Haft drohen. Diejenigen, die nicht auf der Anklagebank sitzen, befinden sich, wie der ehemalige Regierungschef Carles Puigdemont im Ausland.

Rebellion ist – egal in welchem Land – ein organisierter, gewalttätiger Akt, um eine bestehende Ordnung über den Haufen zu werfen. Und von dieser Gewalt war in den Monaten der Vorbereitung des Unabhängigkeitsreferendums nichts zu sehen. Dass neun Angeklagte dennoch so lange in Untersuchungshaft sitzen ist deshalb alles andere als normal. Und dass eine rechtsextreme Partei wie VOX, die der Franco-Diktatur hinterher trauert, als Nebenkläger einen festen Platz im Verfahren hat, ist auch nicht leicht zu vermitteln.

Sicher sind die Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens, weit – für viele zu weit – gegangen. Aber es handelt sich um eine politische Bewegung. Und politische Bewegungen verlangen nach politischen Antworten statt nach strafrechtlicher Verfolgung.

Doch genau dazu ist Spaniens Politik nicht in der Lage. Die Justiz – zumal der stark politisierte Oberste Gerichtshof – schien ein bequemer Weg, um „die Unabhängigkeitsbewegung zu enthaupten“, wie das die damalige Regierung unter Mariano Rajoy nannte. Und auch die jetzt regierenden Sozialisten unter Pedro Sánchez besitzen nicht den Mut, eine echten Dialog ohne Tabuthemen – wie zum Beispiel eine Volksabstimmung in beiderseitigem Einvernehmen, wie einst in Quebec oder Schottland – einzuleiten.

Wer glaubt, dass durch harte Urteile die Unabhängigkeitsbewegung geschwächt werden wird, täuscht sich gewaltig. Genau das Gegenteil wird der Fall sein. Heute zu Beginn der Hauptverhandlung steht nur ein Verlierer fest: Die Demokratie in Spanien.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.