Kolumne Nachbarn: Meine verehrten Konferenzschuhe

In einem Land der Freiheiten müssen Frauen keine Stöckelschuhe tragen, um respektvoll und professionell behandelt zu werden. Richtig?

Drei Beinpaare, zwei mit Stöckeln, eins mit Herrenschuhen bekleidet

High Heels verändern die Art, wie frau behandelt wird Foto: dpa

Ich mag keine Stöckelschuhe. Sie sind schlicht und einfach unbequem. Außerdem rufen sie bei mir klischeehafte Gedanken über Frauen hervor. Dennoch konnte ich das Tragen solchen Schuhwerks nicht immer vermeiden, insbesondere als ich begann, in der Politik und Kultur zu arbeiten. Anfänglich wurde ich wegen meines Outfits ständig kritisiert, vor allem weil ich mich weigerte, High Heels zu tragen.

Irgendwann wurde ich gefügig und legte mir ein Paar „offizielle“ Schuhe zu, die ich „meine verehrten Konferenzschuhe“ nannte. Da ich sie nie außerhalb eines Konferenzsaals trug, blieben sie wie neu, damals in Syrien, dann auch hier in Deutschland.

Als ich in Deutschland ankam, wollte ich meine verehrten Konferenzschuhe eigentlich in den Ruhestand schicken, da ich mir dachte, ich würde sie hier nicht mehr brauchen. Und zwar nicht, weil ich nichts mehr mit Politik oder Kultur zu schaffen haben würde, sondern weil ich dachte, in einem Land der Freiheiten hätten Frauen es nicht mehr nötig, Stöckelschuhe zu tragen, um respektvoll und professionell behandelt zu werden. Doch die letzten vier Jahre in Berlin zeigten mir genau das Gegenteil.

Warum schreibe ich ausgerechnet jetzt darüber? Nun, seit einiger Zeit suche ich relativ regelmäßig eine Arztpraxis auf, und einmal hatte ich gleich nach dem Termin einen Arbeitstermin, zu dem ich – wie es sich schickte – meine verehrten Konferenzschuhe anzog. Als ich die Praxis betrat, fragte mich die junge Arzthelferin überfreundlich, wie sie mir helfen könnte. Auch der Arzt behandelte mich auffallend freundlich und respektvoll. Lächelnd verließ ich die Praxis und hatte vor lauter Entzücken meine Schmerzen ganz vergessen.

Herausgeputzt klackern

Eine Woche später musste ich wieder zum selben Arzt. Ich hatte es eilig, rannte schnell aus dem Haus, ohne groß auf mein Äußeres zu achten. Ich machte meine kurzen Locken nur mit den Händen zurecht, während ich die Treppe hinunterging. Als ich die Praxis betrat, schaute mich die Arzthelferin abschätzig an und schwieg. Ich lächelte sie an und sagte freundlich: „Guten Morgen“. Sie nickte bloß mit dem Kopf. Ich sagte: „Ich habe einen Termin.“ Sie fragte mich nach meinem Namen, während sie auf den Bildschirm schaute, um die Richtigkeit meiner Aussage zu prüfen.

Auf dem Heimweg blieb ich vor einem Schaufenster stehen, um mich selbst zu betrachten und erkannte: Ich war nicht herausgeputzt!

Als ich die Praxis später verließ, war ich geknickt. Denn der Arzt hatte mich genau wie seine Helferin angeschaut. Ich fragte mich noch, warum beide beim letzten Mal so freundlich gewesen waren. Auf dem Heimweg blieb ich vor einem Schaufenster stehen, um mich selbst zu betrachten und erkannte: Ich war nicht herausgeputzt!

Beim nächsten Termin machte ich mich wieder zurecht, zog meine Konferenzschuhe an und betrat laut klackernd die Praxis. Bevor ich ein Wort sagen konnte, strahlte mich die Arzthelferin an und sagte: „Guten Morgen, wie kann ich Ihnen helfen?“

Übersetzung Mustafa Al-Slaiman

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Kefah Ali Deeb wurde 1982 in Latakia, Syrien, geboren und ist 2014 nach Berlin geflohen. Sie ist bildende Künstlerin, Aktivistin und Kinderbuchautorin, außerdem Mitglied des National Coordination Committee for Democratic Change in Syrien.  

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