Empfehlung der Kohlekommission: Kohleausstieg bis spätestens 2038

Das Konzept der Kohlekommission steht. 2038 soll das letzte Kraftwerk vom Netz. Einstimmig war das Ergebnis nicht – aber fast. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug.

Jemand trägt Kohlebriketts eine Treppe hinauf

Kohlen schleppen müssen nicht mehr viele, in absehbarer Zeit muss es dann niemand mehr Foto: dpa

BERLIN dpa/taz | Deutschland soll nach dem Willen der von der Regierung eingesetzten Kohlekommission bis spätestens Ende 2038 die Stromgewinnung aus Kohle beenden. Darauf einigte sich das 28-köpfige Gremium am frühen Samstagmorgen bei nur einer Gegenstimme, wie die Vorsitzenden der Kommission am Vormittag mitteilten.

Im Jahr 2032 soll überprüft werden, ob das Ausstiegsdatum angesichts der Lage und im Einvernehmen mit den Betreibern auf frühestens 2035 vorgezogen werden kann. Die Kohleländer sollen über 20 Jahre 40 Milliarden Euro vom Bund bekommen. Darüber hinaus heißt es im Abschlussbericht nach Teilnehmerangaben, ein Erhalt des umkämpften Hambacher Forsts sei wünschenswert.

Bei den Verhandlungen war lange Zeit insbesondere umstritten, bis wann und in welchen Schritten die Stromgewinnung aus Kohle in Deutschland enden soll. Bis 2022 sollen nun insgesamt 12,5 Gigawatt Leistung aus dem Netz genommen werden, davon drei Gigawatt Braunkohle. Zusammen haben die Kohlekraftwerke derzeit eine Leistung von rund 45 Gigawatt. Rund ein Drittel des Stroms kommt heute aus Kohlekraftwerken.

Privathaushalte und die Wirtschaft sollen von steigenden Strompreisen entlastet werden. Die Kommission hält dafür unter anderem einen Zuschuss von mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr für erforderlich, wie es nun im Abschlussbericht heißt, etwa um die Netzentgelte zu senken. Eine zusätzliche Abgabe oder Umlage für Stromkunden soll es nicht geben.

Ablehnung aus Welzow

Die Hilfen des Bunds für den Strukturwandel in den Kohleländern Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sollen in einem sogenannten Maßnahmengesetz festgezurrt werden. Die Kommission empfiehlt, dass der Bund dafür 1,3 Milliarden Euro pro Jahr über 20 Jahre bereitstellt. Es soll einen Staatsvertrag geben, der auch für künftige Bundesregierungen bindend ist. Darüber hinaus soll der Bund den Ländern 0,7 Milliarden Euro pro Jahr zur Absicherung über 20 Jahre zur Verfügung zu stellen, unabhängig von konkreten Projekten.

Für den BUND ist es ein starkes Signal, dass der Hambacher Forst erhalten werden soll. Der Verband ist aber unzufrieden mit dem späten endgültigen Ausstiegsdatum.

Die von der Regierung eingesetzte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ kann nur Vorschläge machen, die Umsetzung ist Sache der Politik. Sinn der Kommission war es, einen breiten Konsens herzustellen, ähnlich wie beim Atomausstieg. In dem 28-köpfigen Gremium sind Vertreter von Industrie, Gewerkschaften, Umweltverbänden und Wissenschaft vertreten.

Alle Mitglieder stimmten dem Kompromiss zu – bis auf Hannelore Wodtke, die sich für den Ort Welzow am Tagebaurand in der Lausitz einsetzt. Die Kommission fordert die Bundesregierung auf, schon bis Ende April Eckpunkte für dieses Maßnahmengesetz vorzulegen und sich dafür mit den Ländern abzustimmen.

„Ein Signal des Aufbruchs“

Der Vorsitzende des Umweltverbandes BUND, Hubert Weiger, sagte der dpa: „Es ist ein Signal des Aufbruchs, dass wir endlich ernst machen mit einem engagierten Einstieg in den Ausstieg aus der Kohle.“ Für den BUND sei es auch ein starkes Signal, dass der Hambacher Forst erhalten werden solle. Der Verband sei aber unzufrieden mit dem späten endgültigen Ausstiegsdatum. Weiger verwies aber auf die geplante Revisionsklausel 2035. Der BUND werde dafür kämpfen, dass der Ausstieg wesentlich früher erreicht werde.

Nicht durchsetzen konnten sich die Umweltverbände zudem mit ihrer Forderung, für den Zeitraum zwischen 2022 und 2030 verbindliche Zwischenziele festzulegen. Während diese in einem früheren Entwurf bereits enthalten waren, wird im Abschlussbericht jetzt lediglich „eine möglichst stetige Reduktion“ gefordert. Ihre Kritik an dieser weniger verbindlichen Festlegung ebenso wie am Enddatum wollen die Umweltverbände in einem gemeinsamen Minderheitenvotum zum Ausdruck bringen, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser.

Der Streit zwischen dem Energiekonzern RWE und Aktivisten um den Hambacher Forst hatte Schlagzeilen gemacht. Ein Gericht hat die von RWE für den Braunkohle-Tagebau geplante und von Behörden genehmigte Rodung vorerst gestoppt. Auch Orte in den Kohleregionen wie dem Rheinischen Revier und der Lausitz sollen für den Tagebau weichen.

Der Chef der Bergbaugewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, sprach von einem „ordentlichen Ergebnis“. Die Klimaziele würden erreicht, es gebe „ordentliche Strukturhilfen“ für die betroffenen Regionen. „Keiner der Beschäftigten fällt auf die Knie.“ Es gebe eine Zeitperspektive, die keine „hektische Umsetzung“ des Kohleausstiegs notwendig mache.

Die Atomkraftwerke gehen in Deutschland bis 2022 vom Netz. Auch der Anteil des Kohlestroms nimmt schon ab. Allerdings muss der Kohleausstieg und damit der Umstieg auf Ökostrom beschleunigt werden, weil Deutschland sonst nationale und internationale Klimaziele verpasst. Bis 2050 soll der Ausstoß an Kohlendioxid (CO2), dem wichtigsten Treibhausgas, um 80 bis 95 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Da auch in anderen Sektoren dafür auf Strom statt auf Kohle, Öl und Gas gesetzt werden muss, gewinnt die Stromerzeugung zusätzlich an Bedeutung.

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