Ajatollah für alle

Iranische Milizen mischen in der gesamten Region mit. Das sorgt auch für Unmut im Inland

Wer die antike Ruinenstadt Baalbek im Libanon besucht, sieht unweit der römischen Tempelanlagen ein Gebäude neueren Datums. Goldene Minarette im unverkennbaren iranischen Stil ragen in die Höhe, von einer Wand der Moschee schauen zwei bärtige Männer herab. Es sind der iranischen Revolutions- und Religionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini und sein Nachfolger Ali Chamenei.

Das libanesische Baalbek ist einer der vielen Außenposten des Irans, der seit der Revolution 1979 seine Rolle als Regionalmacht stetig ausbaute. Von Baalbek aus gründeten iranische Revolutionsgarden in den achtziger Jahre die Hisbollah, eine politische Partei, deren militärischer Flügel israelischen Schätzungen zufolge über 120.000 Raketen verfügt.

Immer wieder hat Teheran die Instabilität kriegsgeplagter Staaten genutzt, um iranhörige Milizen aufzubauen. Im Irak waren es ironischerweise die verhassten USA, die Iran zum Aufstieg verhalfen. In Syrien unterstützt Iran seit dem Arabischen Frühling 2011 Baschar al-Assad – nicht aus religiöser Nähe, sondern weil dessen Fall der Verlust eines zentralen Verbündeten gewesen wäre. Heute sichern etliche iranhörige Kämpfer den Einfluss der Islamischen Republik in Syrien.

Und nicht nur Israel sieht den Aufstieg Irans als Bedrohung. Vor allem Saudi-Arabien, das durch eine aggressive Außenpolitik in Syrien, Bahrain oder Jemen versucht, den iranischen Einfluss zurückzudrängen. Hinter dem Zwist liegen nicht nur geopolitische Interessen und Unterschiede zwischen dem schiitischen und sunnitischen Islam, sondern auch konträre Herrschaftsmodelle. Die Islamische Revolution und der in der Folge in der Verfassung verankerte islamische Republikanismus unter der Herrschaft des Obersten Gelehrten stehen der monarchischen Ordnung in Saudi-Arabien mit ihrer Legitimation aus einer religiös unterfütterten Legitimierung entgegen.

Aber auch im Inland stößt die interventionistische Politik Irans auf Kritik. Immer wieder kommt es zu landesweiten Protesten. Zehntausende Menschen gingen um die Jahreswende 2017/2018 auf die Straße, um gegen Arbeitslosigkeit, Korruption, Misswirtschaft und hohe Treibstoffpreise zu demonstrieren. Tausende Menschen wurden verhaftet, mehr als zwanzig getötet. Es waren die größten Proteste seit der Grünen Revolution 2009.

Im vergangenen Jahr nahmen protestierende Frauen auf den Straßen ihre vorgeschriebenen Kopftücher ab, um ihrem Unmut über die Kleidervorschriften Luft zu machen. Jüngst protestierten Tausende um ihre Löhne geprellte Fabrikarbeiter und erhoben auch Vorwürfe gegen die Regierung. Der nach dem Atomdeal von 2015 erhoffte wirtschaftliche Aufschwung blieb aus. Der einseitige US-Ausstieg aus dem Abkommen und neue Wirtschaftssanktionen verschärfen die Krise noch.

So dürfte die Führung des Landes es immer schwerer haben, den Geist der Islamischen Revolution von 1979 an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Chamenei, der Oberste Führer des Landes, ist 79 Jahre alt. An der Frage nach seiner Nachfolge hängt die Zukunft des politischen Systems. Jannis Hagmann