Syriens Kurdengebiete: Alle sprechen von der „Zone“

Die Idee einer „Sicherheitszone“ in Nordost-Syrien sorgt für Diskussionen. Doch wer soll das riesige Gebiet an der türkisch-syrischen Grenze kontrollieren?

Kampfer mit Maschinengewehr im Anschlag hinter einem Sandsackwall

Zwischen den Fronten: Kurdischer Kämpfer in Nordsyrien Foto: dpa

BERLIN taz | Die Kurden in Syrien lehnen eine von den USA und der Türkei ins Gespräch gebrachte „Sicherheitszone“ an der Grenze zur Türkei ab. Sie wäre ein Deckmantel für die Besetzung weiterer Gebiete durch die Türkei, teilten verschiedene Kurdenpolitiker mit.

Ankara sei nicht neutral und könne „kein Garant für die Sicherheit sein“, sagte Aldar Khalil von der regierenden Koalition TEV-DEM gegenüber kurdischen Medien. Sihanouk Dibo, führendes Mitglied der an der Koalition beteiligten PYD, sprach von einer drohenden „Invasion“. Beide sagten, die Kurdenführung werde eine Pufferzone nur akzeptieren, wenn diese statt von der Türkei von UN-Truppen kontrolliert würde.

Die Idee einer solchen Zone hatte US-Präsident Donald Trump am Sonntag lanciert, nachdem seine Ankündigung, alle US-Truppen aus Syrien abzuziehen, auf Kritik gestoßen war. Die mit den USA alliierten syrischen Kurden fürchteten einen seit Wochen angekündigten Angriff durch türkische Truppen. Die Zone soll rund 30 Kilometer in syrisches Staatsgebiet hineinreichen.

Die türkische Führung zeigte sich für den Vorschlag zunächst offen und später – nach einem Telefonat zwischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Trump am Montag – regelrecht euphorisch. Denn nach Angaben aus Ankara soll die Pufferzone von der Türkei eingerichtet werden.

Erdoğan sprach nach dem Telefonat von einer „Übereinkunft mit historischer Bedeutung“ und forderte Unterstützung durch die internationale Anti-IS-Koalition und die USA. „Wenn die Koalitionstruppen und insbesondere die USA logistische und finanzielle Unterstützung geben, würden wir solch eine Sicherheitszone schaffen“, sagte er.

Zone wäre fast so groß wie Schleswig-Holstein

Die Einrichtung eines türkisch kontrollierten Streifens in Nordostsyrien würde bedeuteten, dass türkische Truppen auch östlich des Euphrats ihre Präsenz massiv ausbauten. Bereits jetzt kontrolliert Ankara einen vergleichbaren Streifen westlich des Euphrats. In zwei Militäroperationen hatten türkische Truppen das Gebiet in den vergangenen zweieinhalb Jahren erobert.

Bei einem Anschlag auf die von Kurden kontrollierte Stadt Manbidsch im Norden Syriens sind Aktivisten zufolge mehrere Menschen ums Leben gekommen. Bei der Explosion einer Bombe in einem Restaurant seien mindestens neun Zivilisten und fünf Mitglieder lokaler Sicherheitskräfte getötet worden, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) reklamierte die Tat für sich. Für Meldungen über Opfer unter Angehörigen der von den USA angeführten internationalen Koalition gab es zunächst keine offizielle Bestätigung. Die Koalition schrieb auf Twitter, man wisse von den Berichten. (dpa)

Die nun diskutierte Zone würde bedeutende kurdische Städte wie Kobani, Tal Abjad und Kamischli umfassen. Ihre Einrichtung würde voraussetzen, dass sich kurdische Einheiten aus dem Gebiet zurückzögen. Diese kontrollieren aktuell mehr als 400 Kilometer der türkisch-syrischen Grenze. Eine 30 Kilometer breite Zone würde eine Fläche von mehr als 12.000 Quadratkilometern umfassen, ein Gebiet fast so groß wie Schleswig-Holstein.

Wichtig für die weiteren Entwicklungen dürften indes auch die Regierungen in Moskau und Damaskus sein. Der russische Außenminister schaltete sich am Mittwoch in die Debatte ein. Die syrische Regierung solle die Kontrolle über die Zone übernehmen, forderte er. Am kommenden Mittwoch will sich der russische Präsident Wladimir Putin mit Erdoğan treffen, um über das Thema zu beraten.

Die syrischen Kurden haben in den vergangenen Monaten hinter den Kulissen mit der Assad-Regierung verhandelt. Sie streben nach größtmöglicher Unabhängigkeit von Damaskus, sind aber auf eine Schutzmacht angewiesen, vor allem weil die Türkei im militärischen Arm der Kurdenführung eine Terrororganisation sieht und einen kurdischen Quasistaat mit allen Mittel zu verhindern versucht.

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